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Gcnec: Haus Sachs.
Stoff erfaßt, gänzlich unbekümmert um etwaige Schwierigkeiten. Auch ist es sehr bemerkenswert^ wie sich bei ihm die Lust an dieser Gattung der Poesie erst in der letzten Periode seiner Thätigkeit so erheblich steigerte. Mit der noch aus dem fünfzehnten Jahrhundert ihm überlieferten Gattung des Fastnachtsspiels begann er allerdings schon 1517. Dann aber folgten die ersten Tragödien und Komödien erst in den Jahren 1527 und 1530. In den nächsten zwei Decennien erscheinen dann die dramatischen Dichtungen spärlich, so daß wir deren bis zum Jahre 1549 nur vierzig zählen. Hier aber trat ein bedeutender Wendepunkt bei ihm ein, denn von hier ab dominirt die dramatische Dichtung bei ihm so sehr, daß auf einzelne Jahre, wie 1551, 1553 und 1556, je achtzehn resp. neunzehn Stücke kommen, und zwar in der Mehrzahl vielactige Tragödien und Komödien.
In diese fruchtbare Zeit fällt denn auch die Herausgabe des „ersten Buches" seiner gesammelten Werke. Doch war er hier in der Mittheilnng dramatischer Sachen noch sehr zurückhaltend, denn unter den 376 Dichtungen verschiedener Gattung enthält dieser erste Band nur achtzehn Komödien und andere „Spiele"; im zweiten Buch (1560) stieg die Zahl derselben schon ans das Doppelte. Hiernach glaubte er, mit dem folgenden dritten Buche die Herausgabe seiner Werke abschließen zu können. Und dafür griff er nun in.die Fülle seiner bis dahin reichlich aufgesammelten dramatischen Spiele, weil — wie er in dem 1561 geschriebenen Vorwort sagt — seine Freunde ihn darum gebeten hatten, daß er diese Stücke, die er „als einen besonderen lieben heimlichen Schatz" sich aufbewahrt und von denen er „den größeren Theil selbst habe agiren und spielen helfen, nicht also einsperren und in einen Winkel stoßen solle". Obwohl aber diesen dritten Band ausschließlich dramatische Dichtungen (102 an der Zahl) ausfüllten, so blieb doch die Masse des Vorhandenen noch so groß, daß auch nach seinem Tode noch zwei dicke Foliobände erscheinen konnten, von deren Inhalt zuvor nur ein verhältniß- niäßig geringer Theil bereits gedruckt war. Die Gesammtzahl seiner Tragödien, Komödien und anderen „Spiele" hat der
Dichter 1567 in seinem „Vawto" selbst auf 208 angegeben. Diese Summe wird in der gedruckten Ausgabe nicht ganz erreicht. Von den wenigen aber, welche fehlen, sind bereits einige in den handschriftlichen Sprnchbüchern ermittelt worden; von anderen weist das von Hans Sachs eigenhändig geschriebene Register* wenigstens die Titel auf.
Diese fast beispiellose dichterische Production unseres Hans Sachs ist um so erstaunlicher, wenn wir erwägen, daß ein schlichter Handwerker, der Sohn eines Schneiders, der selbst das Schnsterhand- werk erlernte, dann auf seiner Wanderschaft eine große Anzahl von Städten besuchte und, wieder zurückgekehrt nach seiner Vaterstadt, dieselbe bis zu seinem Tode nicht wieder verließ, sich zum fruchtbarsten und volksthümlichsten Dichter des ganzen sechzehnten Jahrhunderts aufzuschwingen vermochte!
Faksimile der Handschrift des Hans Sachs.
Der erfrischende Geist der Reformation, mit deren ersten thatsächlichen Anfängen auch die ersten Dichtungen des Hans Sachs zusammensallen, erklärt uns diese merkwürdige Erscheinung nicht vollständig, wenn er auch einen wesentlichen Antheil daran hatte. Ohne die Reformation kann allerdings eine Erscheinung wie Hans Sachs nicht gedacht werden. Aber zu einem so kräftigen Anfschießen der Saat, zu einer solchen üppigen Entwickelung der Blüthenfülle gehörte ein so fruchtbarer, so trefflich vorbereiteter Boden, wie die Stadt ihn bot, der er angehörte. Welch einen Reichthnm von gewerblichem und künstlerischem Leben umfaßte dieses Nürnberg im Anfänge des sechzehnten Jahrhunderts ! Albrecht Dürer und sein Freund, der Nürnberger Patricier und Humanist Pirkheimer, Peter Bischer der Erzgießer, Beit Stoß der Holzbildhauer — sie Alle wirkten noch gleichzeitig an der Verschönerung und an dem Ruhme der
* Das Register von Hans Sachs sowie die Handschriften von zwei noch eingedruckten Stücken besitzt das Rathsarchiv in Zwickau.