Heft 
(1881) 296
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Geuse: Hans Sachs.

Lebensfülle noch sehr wohl vergegen­wärtigen können. So viel man aber auch von demschönen" alten Nürnberg con- servirt hat von dem Haus, in welchem Hans Sachs geboren ward und lebte, ist nichts mehr vorhanden. DasLicht der Welt" wird in der engen Gasse das neu­geborene Knäblein des wackeren Jörg Sachs nicht sehr geblendet haben. Das in der Nähe des Spitalplatzes in der schmalen, nunmehr nach dem Dichter be­nannten Gasse gelegene Haus, auf wel­chem eine Tafel anzeigt:Hier wohnte Hans Sachs", zeigt ebenfalls nur die Stelle an, wo das frühere Haus gestanden. Wenigstens aber hat sich eine alte hübsche Zeichnung von dem wirklichen Wohnhause erhalten (s. Jllustr. S. 193), welches mit seiner schweren Steinbank vor dem breiten Fenster des Erdgeschosses, mit den aus der Mauerfläche heraustretenden Fenstern der oberen Etage und mit dem in die Straße ragenden GasthausschildZnM güldenen Bären" eher dem Charakter jener Zeit entspricht als das jetzige nüchterne Hans.

Nach seinem eigenen Berichte ist Hans Sachs mit fünfzehn Jahren, nachdem er dieLateinische Schule" besucht, in die Lehre gekommen, um das Schusterhand­werk zu erlernen. Als nach zwei Jahren seine Lehrzeit vollendet war, ging er auf die Wanderschaft, was ihm gewiß von großem Nutzen gewesen. Denn seine Wanderungen beschränkten sich nicht auf Franken, sondern führten ihn auch nach München, Regensburg, Salzburg u. s. w., und selbst vom Rhein weiß er eine ganze Reihe von Städten zu nennen, die er be­sucht hat.

So kehrte er nach einigen Jahren als solider Handwerker, ausgerüstet mit man­cherlei Weltkenntniß, in seine Vaterstadt zurück. Und das war gerade in den Jahren, dadie Wittenbergisch Nachti­gall", die er später in seinem großen Gedichte verherrlichte, ihr Lied bereits angestimmt hatte, aber nicht in Flöten­tönen, sondern in Sturmesbrausen und Donnerton!

In der (wie mir scheint, oft unter­schätzten) Schule der Meistersänger hatte der Jünger seine ihm angeborene Gewandt­heit in der Behandlung der poetischen Sprache offenbar in vortheilbringender Weise ausgebildet. Und so wie schon die

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Wanderjahre seinen Gesichtskreis erweitern mußten, wies nun der Geist der Refor­mation dem Dichter einen Wirkungskreis an, der sich naturgemäß über die Be­grenzung seines localen Bodens weit hin­aus erstreckte. Dieser Reformationsgeist war es, welcher bereits in der Schweiz, namentlich in Basel und in Bern, vor Allem zur dramatischen Form der Dichtung gedrängt hatte. Denn in der Dialogform und der-daraus sich entwickelnden plastischen Darstellung konnte die Tendenz sich nach­drücklicher und überzeugender Geltung ver­schaffen als in den allgemein poetischen Formen oder in Streitschriften. So sehen wir denn auch in den frühesten dramatischen Producten der deutschen Schweiz, in den Fastnachtsspielen und Komödien der Nico­laus Manuel, Kolroß u. s. w., die antipäpst­liche dramatische Dichtung ganz und gar in der Tendenz stecken bleiben. Das drama­tische Spiel war nur die willkürlich ge­wählte Form für die wüthendste Polemik und namentlich auch fpäter noch in Sachsen für theologische Disputa­tionen.*

Ganz anders bei unserem Hans Sachs, bei welchem stets sein dichterisches Empfin­den und sein allgemein sittliches Gefühl die Herrschaft behielten. Bei seinem unver­gleichlich gesunden Verstand und bei seinem Scharfblick für die großen Verhältnisse der Kirchenreform verwies er die Aeuße- rungen seiner rein religiösen Anschauung und seine das theologische Gebiet berüh­renden Schriften an einen besonderen, von seinen poetischen Werken durchaus ge­trennten Platz.

Auch Hans Sachs begann seine drama­tischen Dichtungen mit dem Fastnachts­spiel (oder wie es bei ihm und bei seinen Zeitgenossen stets heißt:Faßnachtspiel"), mit jener volksthümlichen Gattung des Schauspiels, welche schon neben den mittel­alterlichen Passionsspielen bestand und welche aus dem fünfzehnten Jahrhundert in die neue Zeit als der Keim zu einer neuen Epoche des Schauspiels übergegan­gen war. Auch Nürnberg hatte auf diesem

* Eine eingehende Schilderung des Schauspiel- weseus dieser Epoche wird man in meinem Buche erhalten, welches im Herbst dieses Jahres im Ver­lage von A. Hosmann L Co. unter dem Titel: Lehr- und Wanderjahre des deutschen Theaters" erscheinen soll.