Heft 
(1881) 296
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11 liistrirte Deutsche Monatshefte.

lieber Herr, nehmt mir nichts vorübel und verzeiht mir. Amen." Der erboste Chorherr aber befiehlt danach seiner Köchin, für ein gutes Essen zu sorgen, die Bibel aus der Stube hinauszutragen und, da er den Caplan und etliche Herren zum Schmaus erwartet, auch nachznsehen, ob die Karten frisch und ob die Steine und Würfel alle im Brettspiel sind.

Trotzdem Hans Sachs von der neuen Lehre im tiefsten Herzen erfüllt war, hat er sich doch niemals verleiten lassen, seine Schauspiele mit theologischer Polemik an- zusüllen. Hier kam es ihm nur da­rauf an, Begebenheiten darzustellen und dieselben höchstens mit der allgemeinen bürgerlichen Moral zu beleuchten. Was aber die theatralische Form betrifft, so war er darin in der ersten Zeit noch ebenso zaghaft wie unwissend. Es mußte ihm daher sehr willkommen sein, in einer lateinisch geschriebenen Komödie des Reuchlin mit dem sehr glücklichen Stoffe auch zugleich die fertige theatralische Form übernehmen zu können. Das von ihm 1531 verdeutschte Stück bezeichnet unser Dichter selbst alsEine Comedi Di-. Reuchlins im Latein gemacht: Der Heuuo." Wie schon Hans Sachs hier im Titel zu erkennen giebt, ist Reuchlin's lateinischerHenno" (erschien 1498) ziem­lich getreu nachgebildet. Für die eigent­liche Uebersetzung muß Wohl der Dichter einen Mitarbeiter gehabt haben, wie es auch später beimHecastus" der Fall war. Der Stoff ist ein echt komödien­hafter, und die Moral desselben ist: daß Untreue ihren eigenen Herrn schlägt. Der Bauer Henno hat seinem sparsamen Weibe acht Gulden entwendet und schickt damit seinen Knecht Dromo zum Gewand­schneider, um dafür ein Stück Tuch zu kaufen. Der Knecht selber zieht nun aber von der Unredlichkeit seines Herrn gleich gehörigen Nutzen. Er beschließt, das Tuch auf Borg zu nehmen und nicht nur die acht Gulden für sich zu behalten, son­dern auch das geborgte Tuch anderwärts wieder zu verkaufen. Während er mit der Ausführung feiner Spitzbüberei be­schäftigt ist, hat die Bäuerin Elsa den Ver­lust ihres Ersparten mit Kummer bemerkt und geht auf den Rath ihrer Nachbarin Gredta zum Wahrsager Alcabicius, damit dieser ihr den Dieb ausfindig mache.

Der Wahrsager beschreibt ihr den Dieb in allgemeinen Zügen so, daß die Bäuerin wohl auf ihren Mann schließen kann, aber doch keine Gewißheit darüber hat. Der Diener Dromo kommt nach Ausfüh­rung seines Handels zu seinem Herrn zu­rück, ihm zu melden, daß der Gewand­schneider wohl das Geld genommen habe, das Tuch aber erst anderen Tags geben wolle. Da im nächsten (dritten) Acte Henno den Gewandschneider Danista zur Rede stellt, leugnet dieser mit gutem Grund; denn er hat in der That das Tuch dem Knecht gegeben, hingegen von diesem kein Geld dafür erhalten. Der durchtriebene Dromo wird nun vor Ge­richt gefordert, hat aber einem Advocaten mitgetheilt, wie die Sache sich eigentlich verhalte. Dieser, wiederum ein Gauner, verspricht ihm, ihn von der Anklage zu befreien, wenn er ihm seinen Theil von der erschwindelten Summe gebe, worauf Dromo einzugehen verspricht. In der Gerichtsscene befolgt nun Dromo den ihm vom Advocaten gegebenen Rath, sich taub und stumm zu stellen, und antwortet auf alle an ihn gerichteten Fragen nur immer mitPlee". Da nun auf diese Weise von ihm kein Eingeständniß zu erlangen ist und auch der Kläger keine Zeugen für die Richtigkeit seiner Angaben stellen kann, so muß Dromo wieder entlassen werden. Der Hauptspaß aber ist nun (im fünften Act), daß Dromo, als der spitz­bübische Advocat von ihm seinen Antheil begehrt, gegen diesen jetzt das nämliche vor Gericht gebrauchte und von dem Advocaten selbst ihm gerathene Mittel anwendet und auf alle Reden des Ad­vocaten nur mitPlee" antwortet, so daß auch dieser nun von dem listigen Diener geprellt ist. Daß schließlich der Knecht auch noch die Tochter des Bauern hei- rathet, ist wohl etwas zu viel Belohnung für seine Spitzbüberei.

Das Verdienst an dieser namentlich in den letzten Acten äußerst spaßhaften und regelrecht gearbeiteten Komödie gehört nicht unserem Dichter. Und wir sehen ihn denn auch noch in der Folge seine eigenen Wege wandeln, nur daß er jetzt die an Handlung reichen Stoffe in Acte theilt. Aber vorläufig blieb der künst­lerische Zweck und die innere Nothwen- digkeit dieser Form seiner Erkenntniß