Heft 
(1881) 296
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halb versteckt, theils im Stadel unters Heu, theils iu den Ofen und hintern Herd. Adam ist damit gar nicht einver­standen, da Gott nicht auf äußere Schön­heit sehe, sondernauf Zucht auf Gottes Ehr". Er ermahnt nun die Kinder, wenn der Herr kommen werde, ihn hübsch artig zu empfangen. Nun tritt der Herr mit zwei Engeln auf und wird von Adam und Eva in demüthiger Weise begrüßt. Nachdem der Herr ihnen gütig zugespro­chen und an seine Verheißung von dem sie dereinst erlösenden Samen erinnert, welcher die Schlange zertreten soll, fragt er die Kinder: ob sie auch beten können? Nach Eva's freudiger Bejahung knieen die Kinder nieder, das älteste betet vor und die anderen wiederholen es. Da der Herr sich sehr zufrieden darüber äußert, bittet Eva, er möge nun die Kinder seg­nen. Der Herr, indem er den Kindern seinen Segen ertheilt, verheißt nun allen vieren nach einander, was ein Jeder werden soll: der Eineein König ge­waltig und mächtig", der Zweite ein Ritter, der Land und Leute beschütze, der Dritte ein Bürgermeister, der die Ge­rechtigkeit ansüben soll, und der Vierte ein großer Kaufmann. Dann sagt der Herr zu den Kindern, er wolle sie nun ins Paradies führen, damit sie erkennen, welche Herrlichkeit ihre Eltern wegen ihres Ungehorsams verloren haben. Eva wagt die Bitte, auch mitgehen zu dürfen; aber sie muß draußen bleiben. Da der Herr mit den Kindern hinaus ist, spricht Eva ihr Bedauern aus, daß sie die an­deren Kinder versteckt gehalten, indem diese sonst doch auch einen so schönen Segen erhalten haben würden. Auf

Adam's Rath eilt sie nun hinaus, um die anderen Kinder zu holen. Nachdem der Herr wiedergekommen, bringt sie jene herbei, indem sie ihm gesteht, sie habe die­selben wegen ihres so üblen Aussehens ihm gar nicht vorführen wollen. Nun

aber bittet sie ihn, daß er auch diese mit seinem Segen beglücken möge. Als diese Kinder auf des Herrn Frage nicht beten können, ist er erst sehr zornig, daß man sie so verwahrlost habe. Aber er will dann doch das Unrecht der Eltern die Kinder nicht entgelten lassen. Mit dem Segnen dieser Kinder wird auch ihnen nun ver­heißen, zu welchen Ständen sie erkoren

sind. Bei dem Ersten macht hier Haus Sachs mit der Anspielung auf sich selbst eine sehr drollige Parenthese. Das erste Kind soll nämlich ein Schuster werden, nach welchen Worten angemerkt ist:Eva kratzt sich in den Kopf." Der Zweite ist zum Weber bestimmt, der Dritte zum Hirten und der Vierte zum Bauer. Da­rüber ist die gute Eva einigermaßen ent­täuscht, und sie wagt gegen den Herrn den Einwand, warum denn diese Kinder alle zu so niedrigem und mühseligem Leben ansersehen seien, während doch die ersten vier lauter große Herren werden sollen. Nun folgt die Schlußmoral des ganzen Spiels, indem der Herr in laugen Reden die Verschiedenheit der Stände auseinandersetzt: daß der eine Stand ohne den anderen nicht bestehen könne, und daß auch die großen Leute wieder ihre Sorgen haben, von denen die an­deren befreit sind.

In dem nämlichen Jahre hatte der Dichter dies Spiel in größerer Ausdeh­nung wiederholt, indem er demselben zu­nächst die ganze Geschichte von Kain und Abel vorausgehen ließ und außerdem das Examen der Kinder durch den poetisch ausgeführten Katechismus ergänzte. Erst bei dieser zweiten und umfänglicheren Be­arbeitung beruft sich Hans Sachs auf das lateinische Vorbild des Melanchthon.* Aber trotzdem wird der liebenswürdig naive Ton und die innige Treuherzigkeit des Ausdrucks, wovon die wenigen vor­stehenden Citate nur eine unvollkommene Vorstellung geben, unserem Nürnberger Poeten zugeschriebeu werden müssen.

Ein anderes Schauspiel, welches wieder lateinischen Ursprungs ist, derHecastus" (1549), gehört einer durchaus anderen Gattung an. Das lateinische Original dieser Tragödievom reichen sterbenden Menschen, der Hecastus genannt" stammt aus den Niederlanden und rührt von dem fruchtbarsten lateinischen Schauspiel­dichter Macropedius (eigentlich Lankveld) her. Es ist die symbolische Darstellung von einem menschlichen Lebenslauf und steht dadurch in naher verwandtschaftlicher Beziehung zu dem kurz vorher erschie-

* Es scheint aber, daß auch Melanchthon's Brief nicht die ursprüngliche Quelle war, sondern ein älteres Spiel, das schon Ibis, in Freiberg darge­stellt wurde.