Heft 
(1881) 296
Seite
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IM Illustrirte Deuts

Hamletstoff nahm. Ja, in einem Schau­spiel vonHagwart und Signe" ist schon das von Holinfhed berichtete Macbeth- motiv benutzt, daß der Prinz auf dem Kriegszug feinen Kriegern befiehlt, von den Bäumen Zweige abzufchlagen, um sich damit zu decken und den Feind da­durch zu täuschen.

In seinen Unterscheidungen der Stoffe für die Komödie und Tragödie ist Hans Sachs nicht immer consequent geblieben. Für gewisse Stoffe, die er nicht der einen oder anderen Gattung beizuzählen wagte, hat er nur die BezeichnungSpiel" ge­braucht. Im Allgemeinen ging er wohl von der Anschauung ans, daß der Tod der Hauptpersonen das Stück zur Tragödie bestimmte, während er die anderen Stücke, auch die allerernftesten, zu den Komödien zählte. Aber auch hierbei kamen ihm doch oft Zweifel über die Richtigkeit der gewählten Bezeichnung. So nennt er die Judith" eineComedi", läßt aber dann im Prolog den Ehrenhold sagen: Sie wären gekommen

Zu halten ein geistlich Comedi.

Doch schier fast gleich einer Tragedi.

So betitelt er auch dieOpferung Jsaacs", die doch nicht tragisch verläuft, alsTra­gedi", dagegen die Geschichte des Tobias als Komödie, die der Esther als Historie, und so wechseln bei ihm noch häufig die Anschauungen darüber. Ebenso war es bei seinem Verfahren der Acttheilung feiner Stücke. Wie schon bemerkt, wächst ihm die Zahl der Acte in den größeren Stücken häufig über fünf hinaus. Die meisten haben sieben Acte, manche noch mehr. Von den Gesetzen einer drama­tischen Composition hatte er weder Kennt- niß noch auch nur eine unbestimmte Ah­nung. Daher sind seine Acteinschnitte oft willkürlich gemacht; sie treten gewöhnlich ein, wenn eine neue Scene mit neuem (natürlich nicht dargestelltem) Schauplatz beginnt, zuweilen aber auch nur dann, sobald die Personen, welche auf der Scene waren, abgetreten sind. Häufig genug müssen allerdings diese Personen abtreten, ohne daß es durch die Handlung motivirt erscheint. Da aber das Theater jener Zeit keinen Vorhang hatte, so konnten freilich die Acteinschnitte nur dadurch markirt werden, daß die Personen ab­gingen und daß nach einer kleinen Pause

che Monatshefte.

andere wieder auftraten. Trotzdem ver­fährt Hans Sachs in der Acttheilung richtiger als die meisten Dramatiker des sechzehnten Jahrhunderts, mit denen er sonst in der Behandlung der theatralischen Action im Allgemeinen übereinstimmt. Ob die von ihm gewählten Stoffe für die theatralische Form gefügig waren, das kümmerte ihn nicht. Weil er in seiner naiven Anschauung der Dinge gar keine Formschwierigkeiten kannte, so nahm er auch alle Stoffe ohne Bedenken für die dramatische Composition an, ohne sich je zu fragen, ob der Gegenstand und die Verhältnisse von Ort und Zeit die dra­matische Form der Dichtung ermöglichten. Es ist charakteristisch dafür, daß er sehr viele seiner Stoffe als Schauspiele und auch als erzählende Gedichte behandelt hat.

Die Sprache unseres Dichters und seine Anschauungsweise ist überall dieselbe, so verschiedenartig die behandelten Stoffe sein mochten. Seine Ansdrucksweise war eben diejenige, durch welche er die fernst- liegenden Ereignisse, Sitten und Zeitver­hältnisse dem Verständniß seiner Leser und seiner Zuhörerschaft nahe bringen konnte. Er wollte nicht Griechen und Römer, nicht die Romantik des Mittel­alters und nicht das Alterthum schildern, sondern er benutzte die ihm überlieferten Begebenheiten in ihrer Aeußerlichkeit nur, um irgend eine Moral daraus zu ziehen, die auch für die kleinbürgerlichen Verhält­nisse seiner Zeit anznwenden war. So herzinnig und rührend oft diese Naivetät in den biblischen Stoffen uns berührt, so seltsam und belustigend nimmt sie sich freilich in den großen geschichtlichen Actio­nen und heroischen Stoffen aus.

Wenn es gegenwärtig bei der Lectüre jener Schauspiele sehr spaßhaft klingt, wie alle Personen, gleichviel ob sie der Sage des Mittelalters, der Bibel oder der römischen Geschichte angehören, ganz und gar das gleiche Zeitcostüm tragen, so müssen wir dabei uns vergegenwärtigen, daß auch das äußere Gewand bei den Aufführungen damit in Einklang stand. Der auf Seite 197 beigefügte Holzschnitt der weiblichen Figur, welche sich auf dem Titelbild eines alten Nürnberger Druckes befindet, stellt einerömische Kaiserin" dar, aber wie man sieht, in dem Gewände einer Nürnberger Patricierin des sech-