Heft 
(1881) 296
Seite
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Handiverkerstande angehört. In Nürn­berg, Augsburg und anderen Städten, wo die Meistersingkunst in den Hand­werkskreisen blühte, bildete schon diese Be­schäftigung mit der edlen Poeterei die Brücke fürs Theater. Die Bühne aber­kannte im sechzehnten Jahrhundert überall nur eine improvisirte sein. Entweder War­ans der Straße ein erhöhtes Gerüst, ohne Vorhang und Coulissen und nur mit einer Rückwand für die ans- und ab­tretenden Personen, oder in Sälen von Gasthäusern, im Rathhaus (bei geistlichen Spielen auch in Kirchenlocalitäten) konn­ten die Einrichtungen um so leichter ge­troffen werden, als Veränderungen der Bühne und Dekorationen überhaupt nie­mals gefordert wurden, indem man sich einzig aus die Darstellung von Personen beschränkte.

Ed. Tevrient meldet zwar in seiner Geschichte der deutschen Schauspielkunst": in Nürnberg sei bereits im Jahre 1550 ein Theater, das erste deutsche Schau­spielhaus, von den Meistersängern er­baut worden. Daß aber diese Angabe durchaus falsch ist, davon habe ich mich jüngst durch die eingehendsten Nachfor­schungen in Nürnberg selbst überzeugt. Devrient schreibt auch, daß dies Beispiel Nürnbergsbald darauf" in Augsburg uachgeahmt worden sei. Es steht aber fest, daß Augsburg, wo die Meistersänger ganz besonders mit Komödienspiel sich beschäftigten, in Schulhäusern, Stadeln und dergl., erst 1665 einKomödienhaus" erhalten hat.

Die Schauspiele des Hans Sachs machten überdies an die scenische Dar­stellung noch viel geringere Ansprüche, als es in den Stücken anderer Dichter seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts der Fall war. Während in Nürnberg gegen Ende des Jahrhunderts erst durch Jakob Ayrer eine reichere Action (nach den Vorbildern der englischen Stücke) ein­geführt wurde, ist bei Hans Sachs noch fast Alles in der Gesprächsform abgethan, infolge dessen wir denn auch bei dem Mangel aller psychologischen Motivirungen so viele schroffe, unvermittelte Scenen- übergänge antreffen.

Diejenige wichtige Person, welche dafür vermittelnd zwischen Darstellung und Pu­blikum wirkte und welche die Person des

che Monatshefte.

Dichters selbst vertrat, war der in fast allen Schauspielen des sechzehnten Jahr­hunderts übliche Herold, der auf den Inhalt des folgenden Spiels hinwies und zur Aufmerksamkeit ermahnte. Später hatten die dramatischen Dichter meist noch einArgument" folgen oder auch zwei Herolde nach einander sprechen lassen. Hans Sachs verfuhr auch hierin einfacher und verständiger als seine Nachfolger; übrigens hieß bei ihm der Herold noch durchgängigEhrnhold". Auf mehreren alten Einzeldrucken von Schauspielen sehen wir diesen Herold abgebildet, mit breitem Federbarett, in der Hand den Stab und auf dem Wappenrock den Reichsadler. Die beigefügte Abbildung auf Seite 199 ist von einem Straßburger Druck des Jahres 1540.

In seinen Fastnachtsspielen bedurfte Haus Sachs der Vermittelung eines solchen Herolds nicht, weil hier die dem bürgerlichen Leben seiner Zeit entnommene Handlung verständlich genug für sich selbst sprach. Die mehr moralische als poetische Anschauungsweise, welche den großen hi­storischen und heroischen Stoffen schlecht anstand, wurde für die Fastnachtsspiele seine Stärke. In diesen burlesken Scenen aus dem Lebeu der Zeit konnten sich alle seine Vorzüge so ungehindert entfalten, daß er hier ebenso wie in seinen Schwank­gedichten als Meister erscheint.

Die Zahl seiner Fastnachtsspiele beläuft sich auf etwa siebzig, mithin machen sie ungefähr den dritten Theil seiner drama­tischen Gedichte aus. Auch in dieser Gat­tung begann der Dichter erst mit dem Jahre 1550, also in seinem sechsundfünf­zigsten Lebensjahre, eine erhöhte Thätig- keit zu entwickeln, und in den Zeitraum von 1550 bis 1554 fallen seine vorzüg­lichsten Spiele dieser Gattung, zu denen namentlich die folgenden zu rechnen sind: Frau Wahrheit will Niemand beher­bergen, Der bös Rauch, Des Pauren Knecht will zwo Frauen Han, Der fahrend Schüler mit dem Teufel-Pannen, Das heiß Eisen, Der Bauer in dem Fegfeuer, Das Weib im Brunnen, Die Bürgerin mit dem Thumbherrn, Der Krämerskorb, Der Bauer mit dem Plerr u. a. m.

In den meisten seiner Fastnachtsspiele handelt es sich nur um eine einzige Si­tuation, und diese Stücke sind natürlich