Heft 
(1881) 296
Seite
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Jl l ust riete Deutsche Monatshefte.

immer vergiebt ihr der Mann. Nachdem sie dann aber noch eine dritte Probe mit seiner Geduld angestellt hat, kommt er zu der Ueberzeugung, daß es mit seinem Weibe nicht ganz richtig sei, schleppt sie zu einem Bader und läßt ihr durch einen starken Aderlaß ihren Uebermuth gründe lichst austreiben.Das heiß Eisen" ist in neuerer Zeit in weiteren Kreisen des Publikums bekannt geworden.* Aber noch manches andere von diesen Fast­nachtsspielen würde heute, wenn man allzu große Derbheiten, die man dem Publikum unserer Tage nicht mehr zn- muthen kann, geschickt entfernte, auf die Bühne gebracht werden können.

Die Derbheiten des Hans Sachs, die eben seiner Zeit angehören, braucht man nicht in Abrede Zu stellen. Aber trotz alledem ist der Dichter niemals unsittlich oder frivol in unserem jetzigen Sinne. Wie in seinen Fastnachtsspielen die Moral des Schwankes sich meist von selbst ergiebt,- so war es auch in seinen größeren Komö­dien und Tragödien stets vor Allem sein Wunsch, daß die Zuschauer einen Nutzen daraus für die Moral ziehen können. Das war ihm bei allen seinen Stücken, wo­her auch der Stoff genommen sein mochte, der Hauptzweck, und er versäumte deshalb niemals, am Schluffe die Moral sehr deutlich und verständlich auszudrücken, damit man ja nichts davon übersehe. Oft geht er darin so weit, daß er in dem Epilog alle Hauptpersonen, eine nach der anderen, von diesem Gesichtspunkte der Moral beleuchtet und eine Nutzanwendung den Zuschauern mitgiebt.

Der Dichter selbst hat sich häufig da­rüber ausgesprochen, wie es ihm in seinen Dichtungen nur darum zu thun sei, rechte Frömmigkeit und alle Tugenden zu ver­fechten und ausznbreiten, dagegen überall das Laster zu verfolgen und zu strafen.

In einem poetischen Vorwort zum zweiten Buch seiner Dichtungen, datirt vom Februar 1558, berichtet er von einer Verstimmung, die ihn befallen habe und die ihn zu dem Entschluß gebracht, ferner nichts mehr zu dichten. Diese Verstim­

* Zunächst durch meine eigene Bearbeitung, in welcher Marie Seebach die Rolle der Frau spielte. Das Stück befindet sich in dieser Form im ersten Bändchen meinerGesammelten Komödien". (Ber­lin 1879).

mung hatte ihm nicht nur sein zunehmen­des Alter bereitet

Und viel Gebrechlichkeit,

Wie solichs bringt die Zeit,

sondern auch vielHaß und Ungunst", die er wegen seiner Gedichte erfahren, nämlich von Solchen, die er wider seinen Willen getroffen, wiewohl er nie eine Person angegriffen, Niemandem geheuchelt aus Gunst und Niemanden geschmäht habe, sondern ganz alleindie Laster, alles Un­raths Ziechpflaster" gescholten. Dreinnd- vierzig Jahre sei er nun beflissen gewesen, in seinen Dichtungen die Tugend zu er­heben, wovon seine Werke Zeugniß geben. Da er nun dafür von vielen Seiten Un­dank erfahren, Neid, Haß und Verachtung, so sei er mit jenem Entschlüsse umgegan- gen, die Feder niederzulegen. Und als er diesen Entschluß wohl bedachte, sei er entschlafen, und es sei ihm derGott Genius" erschienen, der habe ihn in einen schönen Saal geführt, wo auf einem Thron eine schneeweißgekleidete Königin saß. Das war dieWeisheit", welche sich beklagte, daß in neuerer Zeit die Tugenden, Mäßig­keit, Gerechtigkeit, Freundschaft, Keuschheit u. s. w.,gar veracht" werden, wogegen die Laster gewaltig jetzt regierten. Die Königin habe ihn deshalb ermuntert, nicht abzulaffen, sondern im Dichten fortznfah- ren und dadurch das Gute zu befördern. Das habe er sich denn auch zu Herzen genommen und beschlossen, von seinem Wege sich nicht abbringen zu lassen.

Ein späteres Gedicht bezieht sich auf die Pest (Die geschwind Krankheit der Pestilenz"), welche im Jahre 1561 in Nürnberg gewüthet habe, so daß im Gan­zen 9256 Menschen daran gestorben seien. Noch in der ersten Zeit der Krankheit, so erzählt der Dichter weiter, sei ein Freund zu ihm gekommen, um ihn zu überreden, mit ihm Nürnberg zu verlassen. In einem langen Gespräch zwischen dem Freunde und dem Dichter werden nun alle Gründe dafür und dawider umständlich erörtert. Der Dichter bleibt schließlich allen Ein­wendungen des Freundes gegenüber stand­haft. Und wenn er früher, bei der Heraus­gabe seines dritten Buches, den Entschluß ausgesprochen habe, seine Thätigkeit zu beenden, so habe er ja wirklichetwas länger denn Jahr und Tag" gefeiert. Nun aber, in dieser trüben Zeit, wolle er