Heft 
(1881) 296
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Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.

letzteren ein weiteres queres Sparren- systein angebracht, welches dem entgegen­wirkt. Ebenso ist die schwammige Sub­stanz des Schienbeins dem Zweck ent­sprechend angeordnet.

Ans der vorangehenden Darstellung dürfte wohl zur Genüge klar geworden sein, daß in der That, wie ich eingangs erwähnte, zwischen Hand und Fuß des Menschen eine vollkommene Theilung der Arbeit stattgefuuden hat. Alles an der Hand ist ans das Ergreifen, Fassen, Halten berechnet, Alles am Fuße auf seine Bestimmung als Stütz- und Geh- werkzeng. Trotzdem hört man nicht selten die Behauptung, die Zehen seien von Haus aus auch sehr gut zu Verrichtungen der erstgenannten Art bestimmt und taug­lich und nur durch die ihnen von Jugend an gewordene Vernachlässigung, Druck der Schuhe re., so heruntergekommen, und man führt als Beweis an einerseits Per­sonen, die, ohne Arme und Hände geboren, gelernt haben, mit den Füßen allerlei Verrichtungen vorzunehmen, wie Zeichnen, Stricken; andererseits und diese An­gabe rührt insbesondere von Gelehrten her, welche, wie zum Beispiel Huxley, be­strebt sind, den Unterschied zwischen dem Fuß des Menschen und der Fußhand des Affen möglichst zu verwischen wird erzählt, daß manche Völker den Fuß zu verschiedenen, sonst der Hand zukommen­den Verrichtungen verwenden, so zum Beispiel, daß chinesische Bootsleute mit Hülfe der großen Zehe das Ruder führen, die bengalischen Handwerker weben, die Carojas Angelhaken stehlen, die bar­füßigen Soldaten auf Java ihren auf den Boden ausgezahlten Sold mit den Füßen aufheben re. Da der Gedanke nahe lag, daß bei diesen Völkern eine abweichende Bildung der Zehen und ins­besondere der großen Zehe vorhanden sei, hat Professor Lucae die Gelegenheit be­nutzt, die Füße einer Gesellschaft von japanesischen Seiltänzern, die in diesem Artikel Großes leisteten, zu untersuchen, und sich dabei überzeugt, daß ihr Fuß in keiner Beziehung vom europäischen ab­weicht, und daß eben die Verwendung des Fußes zu Handarbeiten ein entweder nothgedrungen oder willkürlich erlerntes Kunststück ist, das etwa in dieselbe Kate­gorie gehört, wie wenn, was man ja von

amerikanischen Clowns oft gesehen hat, einer die Beine in die Höhe streckt und auf den Händen davonläuft.

Trotzdem aber der Fuß nur Stütz- und Bewegungsorgan ist, fehlen ihni die übrigen Eigenschaften nicht, welche, wie wir oben gesehen haben, dazu beitragen, die Hand zu einem so vollkommenen Werk­zeug zu machen, nämlich das Muskel- und das Tastgefühl der Haut und sicherer Stand und Gang hängen zu einem gar nicht unerheblichen Theile von der Ungetrübtheit dieser Wahrnehmungen ab, wie insbesondere die Erscheinungen der be- I ginnenden Rückenmarkslähmung es zeigen.

^ Weil in diesen Fällen das Auge das ! mangelnde Tust- und Muskelgefühl er­setzen muß, ist solchen Kranken Stehen und Gehen bei geschlossenen Augen un­möglich.

Wie bei Gesicht und Hand, so lassen sich auch an der Gestaltung des Fußes zahlreiche, insbesondere aus Proportions­verhältnissen beruhende Verschiedenheiten nach Individualität, Race, Alter und Ge­schlecht wahrnehmen, und mehr als andere Theile wird endlich auch der Fuß in seiner Gestalt durch äußere Einwirkung verändert. Und wie die antike griechische Kunst uns das Ideal menschlicher Körperschönheit überhaupt zu verwirklichen verstand, so führte sie uns auch den ideal schönen menschlichen Fuß vor, was um so wich­tiger ist, als heutzutage wenigstens in unseren Kulturländern uns dieser An­blick nur sehr selten gegönnt ist, indem sehr häufig die Fußform durch unzweckmä­ßige Bekleidung schon frühzeitig erheblich verändert wird. Auch hier ist es die volle Entwickelung der für den Menschen charak­teristischen Eigenschaften des menschlichen Fußes, die uns denselben schön erscheinen läßt, vor Allem also das wohlentwickelte Gewölbe, die gut ausgebildete Ferse, die nicht zu langen Zehen, von denen jedoch die erste, die große Zehe, die bei Weitem längste und stärkste ist.* Dabei ist der Fuß schmal, nicht breit und im Verhält- niß zum ganzen Körper klein zu nennen. Ein großer, platter, wenig gewölbter Fuß mit wenig vorstehender Ferse, kleiner Großzehe hat dagegen einen der Bäreu-

* In diesem Punkte kann der Anatom nicht immer mit der Antike übereinstimmen, da bei dieser häufig die zweite Zehe erheblich länger erscheint.