Heft 
(1881) 296
Seite
228
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Lar! von Holtet.

Bon

Karl Weinhold.

m 12. Februar 1880 starb zu Breslau Karl v. Holtei. Zweiundachtzig viel bewegte Jahre waren zum stillen Schluß gekommen. Es war nicht bloß ein Dichter und Künstler, den wir be­gruben, es war auch ein eigenthümlich gearteter Mensch. Aus seinen bedeuten­deren Schriften spricht überall die Per­sönlichkeit und das Leben. Darum ist eine Beurtheilung seiner Werke unmöglich ohne die gerechte Erwägung der Bedin­gungen und Schicksale seines Lebens.

Holtei war ein Schlesier.

Das achtzehnte Jahrhundert hatte den Schlesiern die Stellung im Vordertreffen der Literatur genommen, welche sie im siebzehnten gewonnen hatten. Es gab überall im Lande Versemacher, aber keinen Dichter. In der kraftlosen Zeit des letz­ten habsburgischen Beherrschers Schlesiens wollte die Poesie ebenso wenig hier aus­blühen als unter dem gewaltigen Regi­ment Friedrich's II. von Preußen. Drei Kriege verwüsteten seit 1740 die schle­sischen Gaue und drückten das höhere geistige Leben nieder. Eine neue Art der Verwaltung war eingezogen mit unge­wohnten Lasten; die preußischen Einrich­tungen und Personen erschienen fremd und wenig sympathisch. Zwar war den Evan­gelischen die Cultusfreiheit gegeben, und sie waren dem König dankbar und an­hänglich. Aber aus Rücksicht auf die mächtige katholische Geistlichkeit hatte er ihnen nur die Hälfte dessen gestattet, was

sie erwarten durften. Ihr Unterrichts­wesen war ihm gleichgültig. Er hatte mehr Sympathie für die Jesuiten der Leopoldina als für die lutherischen Schul­rectoren. Zwar war der Schwerpunkt des Landes nun von Süden nach Norden gelegt, aber es war nur ein militärischer und politischer, kein geistiger. Der Ver­kehr mit Brandenburg blieb gering. Schlesien verharrtem seiner Eingeschlossen­heit zwischen Polen, Böhmen und Kur- sachsen, und seine Leute spannen sich in diesen Grenzen mit Bewußtsein ein. Sie waren immer auf sich gestellt gewesen, mochten Piasten oder Luxemburger, Nn- garnkönige oder Habsburger ihre Herzogs­krone getragen haben.

Den Mittelpunkt gab von je Breslau, die bedeutende Vermittlerin des deutschen und slavischen Handelsverkehrs, die kräftige deutsche Bürgerstadt, der Sitz des Fürst­bischofs, der obersten Landesbehörden und berühmter Schulen. Die zahlreichen kleinen Städte in den vielen Fürstenthümern traten gegen Breslau völlig zurück. Die größeren und reicheren Adelssamilien verstanden sich gleich den böhmischen wohl auf Re­präsentation, aber einen Einfluß ans das geistige Leben übten sie nicht, weil es ihnen gleichgültig war. Nur aus dem kleineren, alteingesessenen evangelischen Adel waren im siebzehnten Jahrhundert Männer von dichterischer, theilweise auch wissenschaftlicher Bedeutung hervorgegan­gen, wie Friedrich v. Logau, David v. Schweinitz, Abraham v. Frankenberg.