Weinhold: Karl von Holtci.
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Die nobilitirten Martin Opitz, Samuel Butschky v. Rutinfeld, Christian Hoffmann v. Hoffmannswaldan, Daniel Casper v. Lohenstein gehören zum Bürgerstande, der in Schlesien, wie in den übrigen Ostmarken, durchaus deutschen Ursprungs war.
Die Bevölkerung des Landes war im achtzehnten Jahrhundert zur Hälfte deutsch, zur Hälfte slavisch. Die deutschen Schlesier waren theils Nachkommen der im dreizehnten Jahrhundert eingewanderten Franken, Thüringer und Niedersachsen, theils germanisirte Polen. Die Mischung mit dem slavischen Blute hatte einen besonderen Charakter der Bevölkerung erzeugt, dessen Grundzüge sich freilich, weil sie allgemein menschlich sind, nicht bloß in Schlesien finden, dessen Mischungsver- hältniß aber als landschaftlich gelten darf. Leicht erregbar und vielfach begabt; mühsam und geschickt, aber leichtsinnig auch und in unentschlossene Trägheit verloren; sentimental und romantischem Treiben nicht abhold, aber auch trocken-witzig; gut- müthig, derb und sinnlich; der Heimath fast übertrieben ergeben und doch in fremder Lust am höchsten gedeihend, können wir als Eigenschaften der Schlesier bezeichnen.
Und Holtei war ein Schlesier.
Seine Familie freilich ist eine kurländische. Der Großvater zuerst war unter Friedrich dem Großen in das Preußische Heer getreten und hatte es zum Obersten eines Husarenregiments gebracht. Der Vater, Karl Julius Siegmund v. Holtei, war ebenfalls Husarenosfizier. Er hatte sich mit einem schlesischen Fräulein, Wilhelmine v. Kessel, verheirathet, und diese gebar ihm zu Breslau am 24. Januar 1798 einen Sohn, der Karl Eduard getauft ward. Die Mutter starb bald nach der Geburt. Das Kind nahm die Tante des Wittwers, die Baronin v. Arnold, eine geborene v. Seydlitz, in ihr Haus. Der Vater vermählte sich fünf Jahre später wieder mit Caroline v. Taubadel, zeichnete sich 1806 in den Kämpfen in und um Lübeck aus, focht 1809 unter dem Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig und trat 1810 in österreichische Dienste. Er ist 1845 zu Saaz in Böhmen als pensionirter Major gestorben.
Es war für den kleinen Karl von den
schwersten Folgen, daß ihm väterliche männliche Zucht und die liebreiche, geistig begabte Mutter bei der Geburt verloren gingen. In dem Arnold'schen Hause, dessen wunderliche Zustände in den „Vierzig Jahren" geschildert sind,'ward er nicht erzogen, sondern verzogen. Als er ein wenig Verstand bekam, merkte er bald, daß er trotz der äffischen Liebe seiner Pflegemutter ein verlassener Junge sei. Die Erziehungsanstalt, der er von 1805 bis 1810 übergeben war, konnte ihn weder geistige noch sittliche Zucht lehren. Dann machte der Verfall des Arnold'schen Vermögens die Rückkehr zur Großtaute und Pflegemutter nothwendig. Er wuchs in einer halb frömmelnden, halb frivolen weiblichen Umgebung, im trügerischen Glanze eines verarmenden adeligen Hauses auf. Wenn er konnte, ging er in das Theater und verstieg sich mit dreizehn bis vierzehn Jahren zu eigenen mythologischen Komödien für sein Puppentheater. Ludwig Devrient und Jffland, die er auf der Breslauer Bühne sah, entzündeten ihn für das Schauspielerleben, und als der Hausfreund, Professor Peter Ludwig Kanngießer (gest. 1833 in Greifswald), infolge einer Schularbeit über den Beruf des Schauspielers Partei für seine Neigungen genommen, stand der Entschluß, Schauspieler zu werden, in Holtei fest. Aber der Krieg von 1813 brachte zunächst andere Gedanken. Doch der folgende Winter verwickelte ihn durch die sentimentale Liebe zu einer jungen Schauspielerin und den Verkehr mit Offizieren wieder tief in die Theaterwirthschaft. Seines Bleibens auf dem Magdaleuen-Gymnasium konnte nicht länger sein. Er rettete sich im Sommer 1814 nach Obernigk, dem damals stillen Walddorfe, wo ihn der Gutsherr Schaudert, der Freund seines Vetters Baron Riedel v. Löwenstern, als Wirthschaftszögling aufnahm.
Aber weder auf den Kornfeldern, noch beim Dohnenstrich im Kieferbusch, noch am Zechtisch der alten Herren verließ ihn der Theaterteufel. Jene Liebschaft wirkte mit. Aus Verhältnissen, in die er nicht ^ paßte, erlöste ihn die Landung Napoleon's i von Elba. Holtei war im achtzehnten Jahre und deshalb waffenfähig. Er meldete sich bei einem freiwilligen Jägercorps in Bres- ! lau, fand aber keine Gelegenheit zu tapferen