Heft 
(1881) 296
Seite
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Weinhold: K

angenommenen Schauspielergesellschaft kam ihm wieder der Gedanke an seine Theater­schule, die er sich jetzt als eine fahrende dachte. Er schrieb darüber einen Aufsatz, der im Wölfischen Theateralmanach für 1845 gedruckt ist. Im März entfloh er aus Grafenort, wo er schließlich wenig Freude und Dank hatte, und ging nach Oels. Dort wohnte seine gute Stiefmutter mit seiner Stiefschwester Constanze. Bei ihnen fühlte er sich wohl, und hier schrieb er den dritten Band derVierzig Jahre". Als er dann eine Vorlesungsreise begann, bot ihm der eine Pächter des Breslauer Theaters, sein Freund Baron Vaerst, die Stelle eines Dramaturgen an. Holtet konnte leider nicht widerstehen, trat am 1. October 1844 ein, war jedoch bald von Widerwärtigkeiten bedrängt und athmete erst auf, als er am 15. März 1845 Breslau verließ. In Charlottenbrunn er­holte er sich, vollendete dann zu Trachen­berg als Gast des Fürsten Hatzfeld den fünften Band derVierzig Jahre" und ging ini November wieder nach Breslau, um aus seinen Vagabnndenerinnerungen einen Roman zu gestalten. Aber es ge­lang nicht. Als er im Vorfrühling 1846 von Breslau fort wollte, fesselte ihn die Cuzent-Lejars'sche Reitertruppe. Nachdem sie aufgebrochen war, reiste auch er nach Graz ab, wo erim Schlaraffenleben" bis zum Herbst blieb. Dann begann er eine große Kunstreise als Vorleser von Dresden aus über Magdeburg, Quedlin­burg, Bernburg, Braunschweig, Hannover nach Bremen und Oldenburg. Am 14. Mai 1847 trat er dem Schauspieler Kettel zu Liebe in Braunschweig als Thaddäus im Alten Feldherrn" auf, machte daraus, ohne zum Lesen zu kommen, eine Fahrt nach Kiel und Hamburg und eilte dann über Prag und Wien nach Graz. Er hatte viel Geld verdient, so viel er auch gebraucht hatte, verlor aber durch über­eilten Umsatz des Goldes in Papiere und Wiederverkauf derselben zu schlimmer Zeit nicht wenig davon.

In Graz begann er dieStimmen des Waldes", die er in Trachenberg beendete. Fürst Hatzfeld bot dem landsmännischen Dichter die Stelle eines Bibliothekars mit freier Station und angemessenem Jahrgehalt an. Holtei ging darauf ein und langte am 5. August 1847 auf

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Schloß Trachenberg an. Zunächst fand er Vieles anders, als er erwartet hatte; zu einer Thätigkeit fand sich keine Gelegen­heit, da die Bibliothek fehlte, und darum nahm er auch keinen Gehalt an. Als er sich endlich behaglich zu fühlen begann, brach die Februar-Revolution los, und Holtei ! mußte mit der Fürstin und ihrem Kinde nach Wien flüchten, weil Trachenberg dem aufständischen Posen nahe liegt. Von Wien ging Holtei nach Graz, aber überall gährte und tobte es, und so verließ er seine Toch­ter Ende Mai, fuhr auf Umwegen um Wien herum, das er meiden wollte, ging nach Trachenberg, um Alles abzubrechen, und eilte nach Hamburg, weil er m der freien Stadt Politische Ruhe zu finden wähnte. Natürlich war das eine große Täuschung. Doch hatte er nnt seinen Vorlesungen den Winter über in Schwe­rin, Lübeck und Brenien gute Erfolge. Vom Februar bis Juli 1849 lebte er dann in Hamburg, richtete dieKomödie der Irrungen" für das Thaliatheater ein und schrieb das DramaDer grüneBanm", das bei der Aufführung kein Glück machte. Jin August war er wieder in Graz und legte eine Autographensammlung an, die rasch gedieh und ihm viele gute Stunden brachte. Vom November bis zum Januar­ende 1850 las er in Hamburg und be­endete dieVierzig Jahre". Darauf kehrte er nach Graz zurück, das für fünf­zehn Jahre seine Heimath blieb.

Er hatte hier in demselben Hause, wie seine Kinder, einige Zimmer inne. Ihr Umgangskreis war zunächst der seine. Dann fanden sich allmälig andere Ele­mente hinzu. Bei dem Polizeidirector Baron Päumann ging er, so lange dieser in Graz blieb, täglich aus und ein. Spä­ter verkehrte er bei Gräfin Rothkirch, bei Graf Karl Schönfeld, dem Gatten von Louise Neumann, und in den letzten Jah­ren viel auch bei Baronin Prokesch. In einigen Wintern kam er jeden zweiten Abend an unseren Theetisch. In der Litteraria", die er gestiftet, war er der Mittelpunkt eines belebten Männerkreises.

Holtei ist in den Grazer Jahren unge­mein fleißig gewesen. Außer seinem Spa­ziergang auf den Schtoßberg und einem Abendbesuch in einem befreundeten Hause saß er am Schreibtisch, schrieb an seinen Romanen, ordnete die anschwellende Auto-