Heft 
(1881) 296
Seite
236
Einzelbild herunterladen

236

Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

graphensammlung und führte einen aus­gedehnten Briefwechsel. Mit dem Theater stand er durch zahlreiche Besuche aus der Schauspielerschast in bleibender Verbin­dung.

In Graz gelang ihm besser als früher in Breslau das große Material von Er­innerungen an das Volk der modernen Fahrenden zu Fluß und zu Guß zu brin­gen. DieVagabunden" fanden die bei­fälligste Aufnahme, und Holtet ging nun auf diesem Wege rüstig weiter. Denn sein Leben war so reich an Erlebnissen, er hatte so viel auf dem Herzen, fühlte sich noch so gestaltungsfähig, obschon er früh von seinem Alter und baldigem Tode redete, daß ihm zunächst Stoff und Lust zum Schreiben nicht ausgingen. Den Vagabunden" folgte 1853Christian Lammfell", 1854Ein Schneider", 1857 b-«obl6S86 oblios". Dazwischen sammelte er unter dem alten Titel desObernigker Boten" allerlei Aufsätze und Erzählungen früherer Jahre, schrieb die Novellen: Ein Mord in Riga" (1854),Ein vor­nehmer Herr" (1854),Schwarzwaldau" (4855),Drei Geschichten von Menschen und Thieren" (1856),Bilder aus dem häuslichen Leben" (1858),Die Töchter des Freischulzen" (1858) und eine große Menge kleiner Aufsätze, Plaudereien, Ge- schichtchen in allerlei Blätter, die er später in denErzählenden Schriften", in der Charpie", derNachlese", demSim­melsammelsurium" wieder zusammenge­stellt hat.

1860 erschien ein dreibändiger Roman: Die Eselsresser", dem andere dreibändige folgten:Der letzte Komödiant",Haus Treustem",Erlebnisse eines Livree­dieners". 1669 kam ein kleinerer Roman: Die alte Jungfer." Je länger, je mehr äußerte sich die Abnahme von Stoff und von Kraft. Er fühlte es selbst und seufzte oft genug darüber, aber bis 1870 mußte er so viel schreiben.

Zur dramatischen Dichtung fühlte er sich seit 1850 höchst selten gezogen. Ab­gesehen von der kleinen SceneWelch ein Auftritt!" verfaßte er nur das Drama Jung oder Alt" (1855), das kein Glück machte. Selbst als Vorleser von Dramen ist er nur noch im Frühjahr 1851 nach Wien, im Jahre 1855 nach Prag gereist. Die neue schriftstellerische Thütigkeit, die

geringe Lust zum Reisen bei wachsender Eingewöhnung in die vier Wände hielten ihn am Schreibtische. In Privatkreisen sowie zu wohlthätigen Zwecken hat er aber in Graz oft genug, gern oder un­gern, seine Kunst gezeigt.

Viel lyrische Blütchen sproßten am Rande der breiten Felder seiner Romane. Zn Gelegenheitsgedichten fehlte niemals die Aufforderung. In Einzeldrucken und in vielen Blättern zerstreut sammelte er manches davon in zwei neuen Ausgaben seiner Gedichte (1856, 1861). Auch seiner rhythmischen Gestaltung Jean Paul'scher Sprüche müssen wir gedenken, die er unter dem TitelGeistiges und Gemüth- liches aus Jean Paul's Werken in Reime gebracht" 1856 (1863) herausgab. Zu schlesischen neuen Gedichten gab der Tre- wendt'sche Kalender Anlaß, der jähr­lich ein Holtei'sches schlesischesStückel" brachte.

Wer das gleichmäßige, fast pedantische Grazer Leben Holtet's kannte, war sehr erstaunt, als er im Herbst 1860 hörte,der Alte", wie er sich selbst oft nannte, wolle wiederum die lange Eisenbahnfahrt nach Schlesien wagen. Gegen die Eisenbahnen liebte er ebenso unerschöpflich zu reden als gegen den Liberalismus und gegen Richard Wagner. Es sollte eine Rhetoren­fahrt werden, auf der er überall im Lande seine eigenen Dichtungen vortragen wollte. Wir weissagten ihm alles Gute, und es hat sich erfüllt. Holtei hat diesen Trinmph- zug durch seine Heimath, der vom Novem­ber 1860 bis November 1861 sich ans­dehnte, tagebuchartig in dem Büchlein Noch ein Jahr in Schlesien" beschrieben.

Es folgte dieser Reise in die geliebte Heimath eine zweite 1863, die sich wegen einer Cur in Bad Reinerz bis in den Sommer 1864 ansdehnte; dadurch waren überall alte Beziehungen wiedergefunden, neue angeknüpft, so daß er die Rückkehr nach Breslau, die er im December 1865 ansführte, gründlich vorbereitet hatte. War er sich auch bei dem plötzlichen Aufbruch von Graz über den Abschied für immer selbst nicht klar, bald genug wußte er, daß er in Schlesien bleiben werde. Der Wunsch, Verhandlungen im mündlichen Verkehr mit seinem Verleger Eduard Trewendt rasch zu beenden, seine Besorgniß, daß die Balggeschwnlst hinter