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Jllustrirtc Deuts che Monatshefte.
Spielen erlaubte er sich keine Frivolität. Nur der ganz unbekannt gebliebene „Don Juan", der nicht unter seinem Namen erschien, kann dagegen eingewandt werden. Aber gerade diese Dichtung beweist nach meiner Ansicht, daß Holtet für das Sinnliche kein dichterisches Talent besaß. Darum haben auch G. Schwab, Tieck, Chamisso, W. Neumann, denen Holtei seinen „Don Inan" vor dem Druck, den O. L. B. Wolfs betrieb, vorgelegt hat, nichts Bedenkliches in der Veröffentlichung gefunden. Das Stück erschien ihnen monströs, aber nicht frivol.
Holtei war eine volle, leichtbewegte und rasch entzündete, vielfach begabte Natur, den Eindrücken der Welt weich fügbar, begierig sie aufnehmend und fähig, sie im geistigen Spiegelbilde zurückzustrahlen. Aber ihm fehlte die innere Harmonie, die tiefe, schöpferische, reine Ruhe, aus der allein das Große und Vollendete in der Poesie sich erhebt.
In dem gesprochenen Wort wie in der schriftlichen Gestaltung des Gedachten und Vorgestellten hat er sich als Künstler versucht.
Mächtig beherrschte er das Wort in der Wiedergabe der Dichtungen in Versen wie in Prosa. Er war ein meisterlicher Vorleser. Tieck und Schall hatten ihm diese Kunst erschlossen. Aber Tieck faßte die Aufgabe des dramatischen Vorlesers anders als er. Tieck forderte, daß der Ton des Vorlesers nie die Grenzen dessen überschreite, was er den edleren Conver- sationston zu nennen Pflegte. Auch im Tragischen dürfe das nicht geschehen, sonst werde es falsches Pathos und Manier; Einzelnes werde herausgerissen und der Eindruck des Ganzen gehe verloren, auf diesen aber komme Alles an. Das Spiel, mit stark wechselnder Stimme zu lesen, sei ein Kunstgriff, der für den Augenblick Effect machen könne, aber doch untergeordnet bleibe. Es sei unkünstlerisch und hebe die Gesammtwirkung aus. (Ludwig Tieck. Von R. Köpke, II, 179.)
Holtei war Schauspieler gewesen und hatte wenig Erfolg gehabt. Der rhetorische Theil hatte Anerkennung gesunden, der mimische Verurtheilung. Er hatte die Hoffnung auf Bühnenerfolg bei seinem ersten öffentlichen Auftreten als Vorleser (1824) durchaus nicht anfgegeben, aber
er steckte sich zunächst das Ziel, zu zeigen, wie er, der durchgefallene Darsteller einzelner Rollen, im Stande sei, ein ganzes Drama mit allen Charakteren und der wechselnden Scenenreihe bloß durch das Ohr, ohne Unterstützung der Bühnenmittel, gegenständlich zu machen. Er wollte dramatisch, besser gesagt theatralisch wirken, und darum recitirte er nicht wie Tieck, sondern spielte gewissermaßen, wenn auch ohne Action. Darum wollte er nicht den einheitlichen Ton, sondern suchte durch charakteristische Scheidung des Einzelnen eine starke Gesammtwirkung. Er hat dieselbe erreicht und sowohl die Tragödie als das Lustspiel wirkungsvoll vorgeführt. Gab man seinen Standpunkt zu, so mußte man gestehen, daß er seine Aufgabe mit gründlichem Bemühen um den Sinn des Dichters, mit tiefem Verständniß, mit schönen rhetorischen Mitteln und größter Lebendigkeit durchführte. Auch hielt er im Theatralischen meist Maß und war ans seinem Lesestuhl ein wirklicher Künstler. Andere haben ihm nachgeahmt, aber meines Bedünkens ihn nicht erreicht.
Wie zweifelhaft Holtei's Erfolge als Schauspieler anfangs waren, ist früher erzählt worden. Später, bei seinen Gastspielen auf dem Königstädter Theater, in Leipzig und Hamburg (1833), auf dem Josephstädter Theater in Wien (1835), hat er in selbstgeschriebenen Stücken reichen Beifall geerntet. Sein Heinrich in „Lorbeerbaum und Bettelstab", sein Wallheim in der „Lenore", sein Bonjour in den „Wienern in Paris", sein Jeremias Klagesanft in den „Dreiunddreißig Minuten in Grünberg" wurden als treffliche, zum Theil vollendete Leistungen gerühmt.
Der darstellende Künstler leitet zum dramatischen Dichter über. Mehr als fünfzig Stücke des verschiedensten Umfangs und Inhalts reihen sich von dem „Winzerfest", dem ältesten, am 18. October 1817 auf dem Breslauer Theater aufgeführten Holtei'schen Stück, bis „Jung und Alt" (1855) an einander; Possen und Trauerspiele, Gelegenheitsstücke und Dramen, welche ernste und hohe Ziele verfolgen, gehen durch einander. Das Liederspiel führte er nach Wiener und Pariser Vorbild, aber mit selbständigem Talent auf dem deutschen Theater wieder ein. Er hat Tausende durch seine Stücke zu