Heft 
(1881) 296
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Weinhold: K

Thränen gerührt, in Grauen versetzt, zum heitersten Lachen gebracht, mit nicht wenigen Dramen große Erfolge gehabt.Lorbeer­baum und Bettelstab",Lenore",Der alte Feldherr" wurden volksthümliche Stücke. Lieder aus den Singspielen, wie Schier dreißig Jahre bist du alt", Denkst du daran, mein tapfrer Lagienka", sind Volkslieder geworden; andere, wie Ich klag's euch, ihr Blumen, ihr plau- dert's nicht aus",Blätter auf Bäumen, Blüthen am Stengel",Fordre Niemand mein Schicksal zu hören",Sitzen wir im heitern Bunde bei der Flasche Honigseim", gehörten und gehören noch zu den beliebte­sten und bekanntesten Gesängen. Noch heute genießen manche Holtei'sche Stücke auf der Bühne großer Beliebtheit und wirken, sobald sich gute Darsteller finden, durchschlagend.

Trotz alledem hat Holtei selbst in der Vorrede zu seinemTheater" (Ausgabe letzter Hand, Band I, 1867) es für Täuschung erklärt, daß er sich Beruf und Geschick, für die Bühne zu schreiben, so lange zugetraut habe. Erst im reifsten Manuesalter, nachdem er mehrere umfang­reiche Erzählungen ersonnen und sorg­fältig ansgeführt, habe er erkannt, daß er der dramatischen Poesie eigenstes Wesen nicht begriffen und voll naiver Sorglosigkeit epische wie lyrische Elemente unverarbeitet mit scenischen Effecten durch einander gemengt habe. Das ist eine harte Selbstverurtheilung einer dreißig­jährigen Thätigkeit, und leider kann man ihre Wahrheit nicht ganz ableugnen. Denn es ist richtig, daß die Leichtigkeit, mit welcher Holtei dramatische Einfälle hatte, und das Geschick, mit welchem er durch seine Bühnenkenntniß die Einsülle zum scenischen Spiele ausbildete, ihn zu sehr flüchtiger Arbeit verleiteten; ferner, daß ihm bei dieser raschen Erfindung und Ausführung, bei der Absicht, zu einer be­stimmten Gelegenheit ein ansprechendes Stück, für diese oder jene Persönlichkeit eine dankbare Rolle zu schreiben, der Effect als Hauptsache, die Forderung der Kunst als Nebensache galten. Auch in den ernsten und höher gemeinten Dramen ist die Anlage locker, die Motivirung nicht tief; die Charaktere sind oft flüchtig aus­geführt, die dramatische Entwickelung ist lose, und lyrische wie epische Zuthaten müssen diese Schwächen verdecken.

Monatsh efte, N. 2Sü. Mai 1881. Vicitc Foli

rl von Holtet.

Holtei hat selbst das dreiactige Schau­spielZum grünen Baum", das er 1849 in Hamburg schrieb, in denVierzig Jah­ren" (VI, 357) für das reifste erklärt, das er als Schriftsteller überhaupt zu leisten im Stande war, später mit einiger Einschrän­kung es den reifsten seiner dramatischen Versuche genannt, was die Ausführung der Charaktere betrifft (Theater" von 1867, VI, 5); darum müssen wir es näher betrachten.

Das Stück entsprang ans dem Bilde, das er sich machte, wie ein alter Schacher- jnde unter dem Crncifix stirbt. Eindrücke aus den Jahren 1848 bis 1849 und Ereignisse in einem vornehmen Hause, denen er nahe stand, gestalteten das Bild aus. Persönlichkeiten, welche er gekannt hatte, traten an seine Phantasie heran. So entstand das Stück, das ein theil- nehmender Beurtheiler ein finsteres, ver­letzendes Trauerspiel nannte, verletzend durch die unversöhnten Conflicte der Zeit seiner Geburt.

Ein junger, reicher, katholischer Graf, der von seiner ersten Frau gerichtlich ge­schieden ist, läßt sich heimlich mit der katholischen Tochter seines Försters trauen, die in Wahrheit das ansgesetzte Kind des katholischen Pfarrers seiner Herrschaft ist. Die Trauung vollzieht jener kindgute alte Caplan, den Holtei später zum Christian Lammfell ausgebildet hat. Ein Schacher- jnde, den der Graf gegen rohe Miß­handlungen seines Vaters einst schützte, hält die Geheimnisse in der Hand, durch welche er den Caplan bewegt, die Ehe einzusegnen, den Pfarrer bestimmt, das Amtsvergehen der verbotenen Trauung ans seine Verantwortung zu nehmen, und den lutherischen Pastor stumm macht, wel­cher um die schöne Försterstochter warb. Nur der Gärtnerbursche Oswald, welcher das Mädchen auch liebte, ist unbeschwichtigt und schwört dem Juden Rache, den er für den Vernichter seines Glückes erkennt. Bald nachher bricht die Revolution los. Der Graf, ein liberaler Aristokrat, wird, obschon er längst alle Opfer gebracht hatte, um die Verhältnisse der Bauern und Dorf­leute zu erleichtern, in dem Schlosse über­fallen, die Höfe werden niedergebrannt und er muß mit feiner Gemahlin nach Rußland flüchten. Führer der wüthenden Haufen war der demagogische Pastor, des

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