Heft 
(1881) 296
Seite
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Juden getaufter Sohn. Er hatte es auf den Besitz der Gräfin dabei abgesehen. Oswald, welcher in der Verwirrung des Ueberfalls dieselbe ebenfalls in seine Ge­walt zu bringen hoffte, ward durch den Juden gestört. Die Güter des Grafen werden zerstückt und von Bürgerlichen wohlfeil erkauft. Der Wald wird nieder­gehauen ; aus dem Holz des grünen Bau­mes, des Urbaums der Haide, wird nach dem letzten Wunsch des Pfarrers ein Crncifix gezimmert. In Rußland stirbt die Gräfin im Kindbett. Verwittwet und arm kehrt der Graf noch einmal zu der Capelle zurück, in der er heimlich getraut ward. Er ist den liberalen Ideen nicht untreu geworden, wie schwer ihn auch die Revolution getroffen hat. Er befreit den Pastor, welchen die wilden Hänfen gebun­den Heranschleppen, um ihn zu hängen, weil er in der Nationalversammlung nicht links genug gewesen war, aus den Mörder- Händen; dann scheidet er für immer vom Erbe feiner Väter. Gleich darauf stirbt der Jude unter dem Kreuz an den heftig sich äußernden Folgen einer bei einem Auflauf erlittenen Mißhandlung. Er entgeht dadurch der Rache, welche Oswald an ihm nehmen will.

Die Exposition der Handlung ist sorg­fältig und geschickt, und dieser erste Act machte auch bei der Aufführung Glück, obschon allerlei Unwahrscheinlichkeiten den Glauben au die Wirklichkeit stören. Der zweite Act stellt den Eindruck der heim­lichen Trauung auf die nächstbetheiligte Umgebung dar und wendet die Folgen der gesetzwidrigen Handlung von dem Caplan ab. Im ersten Act ist die neue Eheschließung des Grafen das Motiv; im zweiten Act wirkt dasselbe freilich noch, aber die Geschicklichkeit des Juden, der wie ein Taschenspieler agirt, ist die Haupt­sache. Den dritten Act hat Holtei als Nachspiel bezeichnet, wahrscheinlich weil er ein Jahr etwa nach dem ersten und zweiten liegt. Es sind düstere und abstoßende Scenen ans der Revolutionszeit, aber mehr im Bericht und in der Reflexion als durch die Handlung vorgeführt. Das Schlußtableau, der unter dem Kreuz sterbende alte Jude, steht nur in loser Beziehung zu dem übrigen Inhalt.

Alles in Allem vermag ich denGrünen Baum" nach seinem dramatischen Aufriß

che Monatshefte.

und Ausbau vor den besseren Holtei'schen Stücken nicht auszuzeichneu. Wie steht es aber um die Charaktere, die Holtei als die reifsten bezeichnte, die er im Drama ausführte?

Der Hauptcharakter ist der Mansche, ein armer dankbarer, unter Verhältnissen uneigennütziger, dem Glauben seiner Väter treuer Mensch, welcher alle Christen des Stückes verdunkeln würde, wäre nicht der demüthige, kindgute Pater Christel ein Christ. Beide Charaktere hat Holtei mit großer Liebe ansgesührt. Der Graf aber kann für sich nicht erwärmen. Er ist einer der liberalen Adeligen, welche Holtei öfter in feinen Romanen vorführt. Er ist nicht Fisch noch Fleisch, und die schönen Reden, welche er hält, können nicht vertüucheu, daß er, der sich als Katholik fühlt, gegen das Gebot der Kirche seine Geliebte hei- rathet, und zweitens, daß er den Raub seiner Familieugüter ruhig als Factum hinnimmt. Die Gräfin ist zwar eine noth- wendige Figur des Stückes, aber nur als Nebenfigur behandelt. Ein unangenehmes Paar sind der Pfarrer und der Pastor. Pfarrer Basal, ein Lebemann, gegen den Caplau hart, reinigt sich von seinen alten Verirrungen fast zum Heiligen. Pastor Neumanu ist ein gemeines Zerrbild, das um so abstoßenderwirkt, als es die protestan­tische Geistlichkeit repräseutiren soll. Von den übrigen Personen ragt Oswald am meisten, aber nicht angenehm hervor, au welchem Holtei wohl die Macht der Eifer­sucht schildern wollte, die bis zum Versuch des Verbrechens treibt. Das können wir dem Dichter zugefteheu, daß er imGrü­nen Baum" mehrere gut und fleißig aus­geführte Charaktere gebildet hat, aber die Gesammtwirkung ist nichts weniger als eine Reinigung der Leidenschaften. Schrille Dissonanzen tönen durch das ganze Spiel und klingen zum Schluß am grellsten.

Thörichte Jugendneigungen und daraus entstandene persönlicheBerstrickungen hatten Holtei zum dramatischen Dichter gemacht, wie er selbst gesteht. Tiefer lag in seiner Brust die lyrische Anlage. Unzählbar sind die Gedichte, welche er von den Knaben­jahren bis 1876, da er seine Harfe für immer aufhing, gesagt und gesungen hat. Sein Leben ist darin enthalten, sein ganzes Wesen daraus weit sicherer zu erkennen als aus den dramatischen Spielen, die