Boß: Tusculiim.
steht auf seinen Stab gestützt, trübselig in die Ferne starrend, um ihn weidet seine braune Heerde. Er trägt das echte Campagnolencostüm. Seine Beine stecken in braunem, langhaarigem Ziegenfell, um die Schulter ist eine rauhe Schafshaut geschlagen. Leinwandfetzen umwickeln die Füße. Sein Gesicht ist gelb vom Fieber, abgezehrt und hohlwangig; er hat dunkle, scheue, schwermüthige Augen. Sein Leben ist eintönig wie sein Gesang, ursprünglich und wild wie die ihn umgebende Natur. Er weidet seine Heerde, singt sein Ritornell, spielt seinen Dndelsack. Er gerbt sich die Ziegenhaut und verfertigt sich seine Sandalen, verschlingt sein Stück harten Brotes, seinen Ziegenkäse und seine Handvoll roher Lupinen. Er hat oft das Fieber, und manchmal murmelt er ein Gebet — das ist Alles!
Zuweilen kann man dort oben auch Weiber sehen. Langsamen, gemessenen Ganges schreiten sie an den steilen Abhängen der Hügel dahin, einen schwerbeladenen Korb auf dem Kopfe. Sie tragen Steine, Trümmer des alten Tus- enlanum. Sie wandeln wie griechische Kariathyden: ernsthaft, feierlich, fast
regungslos. Die eine Hand stützt den Korb, die andere stemmt sich in die Hüfte. Ihre rothen Röcke und orangegelben Mieder leuchten weithin, und die weißen, faltigen Kopftücher fallen wie Schleier vom Haupt ans den Rücken herab. Den Fremden, der sie anredet, sehen sie mit ihren großen, ernsthaften Augen ruhig an; vielleicht daß zwischen den strengen Lippen die weißen Zähne sichtbar werden. Eine Antwort wird der Frager nicht immer erhalten. Es sind braune, wilde, oft wundersam schöne Geschöpfe, und wohl mag man verwundert ihnen nachstarren: sie tragen Steine und schreiten dahin wie Königinnen!
So wird von den Ruinen das Material fortgeschafft, heute noch ebenso wie vor Jahrhunderten. Marino, Grotta Ferrata und Frascati mit allen seinen Palästen und viele andere Orte sind aus tusculanischen Trümmern erbaut. Das Hilst mit erklären, warum ihrer so wenige sind.
Auf dem erwähnten ebenen Platze lag das Forum. Jetzt steht hier ein einsames Haus. In seine Wände sind antike Marmorfragmente eingemauert: Reliefs,
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Tafeln, Gebälkstücke. Selbst ehrsame tusculanische Bürger und Senatoren, würdevoll in die Toga gehüllt, mußten mit hinein. Fast unheimlich nimmt sich eine Venus aus: sie steckt tief im Mauerwerk und scheint befreit sein zu wollen.
Das einsame Haus ist unbewohnt, die Fenster sind vergittert und mit Balken vernagelt, die Thüren sogar vermauert. Der Wind umseufzt es, und nahe Ulmenbäume rauschen klagend herüber; Nachts jammern Käuzchen in den Fensterhöhlen, und die Wildkatze umschleicht es. Das Volk meidet den Ort.
Es geht eine Sage über das einsame Haus, so weit man beim italienischen Volk von Sagen sprechen kann. Ein Mönch, so heißt es, jung und wild, in den Rock eines Briganten besser hineinpassend als in die Kutte eines Kapuziners — wie das zuweilen in Italien Vorkommen mag —, habe dort oben gehaust und sei über dem Anblick des nackten heidnischen Frauenleibes Christo und der heiligen Jungfrau abtrünnig und dem Bösen zu eigen geworden. Der Teufel habe dem Mann in der Kapuze das Marmorweib in ein lebendiges verwandeln müssen, worauf dieser die Nacht selig gewesen, aber beim ersten Lerchenjnbel in die Hölle wandern mußte.
So wird es bisweilen von diesem oder jenem alten Hirten berichtet. Auch wurde in der Nähe des Hauses, als dieses noch bewohnt war, ein Mord verübt. Die Stelle bezeichnet im Walde ein schwarzes Kreuz, Haselbusch grünt lustig ringsum.
Von dem Hause aus gelangt man in das Theater. Das ist in Tusculum der reizvollste Platz, zugleich auch der schwer- müthigste. An einem sonnigen Vormittage dort ans der höchsten Sitzreihe zu lagern, ist wundersam. Unter sich hat man die Scene, auf der einst Sophokles und Euripides, Plautus und Terenz gespielt wurden. Wer dem Schauspiele droben beiwohnte, sah, aufblickend, über das weite Land hinweg auf das sonnenhelle tyrrhenische Meer. Er sah nach Albalonga hinüber, zum Monte Cavo hinauf, wo der Tempel des höchsten Jupiter stand; nach dem öden Kraterfeld, und dahin, wo. Hannibal sein Lager aufgeschlagen hatte. Und der tusculanische Mann sah - - Alles von seinem Sitze im