Heft 
(1881) 298
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Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.

jahrelang unzertrennlich mit einander ge­lebt. Ich sah deine Mißbilligung, deine Vorwürfe voraus, als hätte ich eine Treulosigkeit gegen dich begangen. Ich wußte auch, du würdest solchen Bund eine Mißheirath nennen, aber was galten solche Bedenken vor einem Charakter, den ich als rein und selbstlos erkannt. Ja, lieber Bruder, im ewigen Rom schwinden die kleinen modernen Maßstäbe; wir Barbaren lernen wieder antik und rein menschlich fühlen und schließlich kannte ich mich doch selbst nicht mehr."

Der Major wandte sich jetzt. Seine Miene war ungeduldig.Ich begreife nicht, liebe Schwester, warum ich das Alles noch einmal hören soll, denn das Meiste stand ja bereits in deinen Briefen. Wenn du es wissen willst: ja, ich sah diese Entscheidung als eine Verirrung an. Du, der Stern, die Königin der Gesell­schaft, umworben von der Elite des Adels und der Armee und nun ein solches philisterhaftes, hausbackenes Ende mit einem Stubenhocker, einem Bücher­wurm!"

Valesca senkte ihr Haupt, gleichwie bejahend, ohne ein Wort zu erwidern.

Na, ich will nicht von Neuem die Rolle des Burbero spielen," sagte der Major einlenkend.Bedenke ich auf der anderen Seite deine ungewisse Zukunft, deine stete Unruhe, deine wachsenden Lenze"

Lieber Bruder, jetzt wirst du unartig."

Aber, liebste Valesca, aus die Weis­heitszähne, denke ich, brauchst du nicht mehr zu warten, enlln, ich habe mich endlich drein ergeben, ja ich bin sogar glücklich und stolz, daß es so gekommen."

Und als Valesca ihn fragend ansah, fuhr er fort.Hm, es ist doch nichts Kleines, eine anerkannte Größe zu sein. Celebrität in der Wissenschaft, Busenfreund Humboldt's seinerzeit jetzt nach Dorpat berufen, habe auch seinen Namen im

Lexikon gefunden. Wie ich höre, will ihn die Regierung zum Hofrath machen. Welt und Schliff soll er besitzen, auch namhaftes Vermögen nun, darauf brauchst du nicht zu sehen. Kurz, wie gesagt: wir dürfen uns noch etwas da­rauf einbilden, ihn zu den Unseren zu zählen. Was mich betrifft, ich gebe schließlich meine Einwilligung mit Freu­den."

Ich danke dir," erwiderte Valesca nach einer Pause mit halbem Tone. Und doch wollte ich, du hättest länger widerstanden."

Länger widerstanden! Wie ist das zu verstehen? Du wirst doch nicht jetzt noch im letzten Augenblick, so zu sagen dicht vor dem Altar"

Nimm das nicht so tragisch, lieber Bruder," sagte Valesca und schüttelte das schöne Lockenhaupt, als wäre sie vom Schlafe erwacht.Ich habe lange mit mir gekämpft, habe Alles erwogen. Es geht nicht anders. Ich muß das Band nun dennoch lösen."

Valesca!" rief der Major und stampfte mit dem Fuß auf den Teppich.Das ist zu arg!"

Immerhin, und von dir verlange ich, lieber Charly, daß du mir dabei behülf- lich bist. Allein, fühle ich, vermag ich es nicht. Mir fehlt die Kraft. Ich achte ihn zu hoch, um ihm wehe zu thun; auch möchte ich jeden Eclat vermeiden. Du mußt mir helfen."

Zu einer Unbesonnenheit nimmermehr. Das wäre charakterlos. Ein gegebenes Wort gilt mir mehr als eine deiner spleensüchtigen Launen. Dabei kommt die Ehre ins Spiel. Das ist keine Commission für mich!"

Martere mich nicht, Charly," klagte Valesca.Du siehst ja, ich bin namen­los unglücklich!"

Aber der Major, der immer noch auf und ab ging, beachtete diesen Ruf'nicht.