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wären doch nicht glücklich geworden mit einander, so recht glücklich, wie wir Beiden es sind; nicht wahr, mein Charly?"
Und kosend und scherzend drang sie dem Bruder ein Packet von Briefen und eine kleine Chatouille mit Gemmen, Perlen, Medaillons, Korallenschnüren und anderen mehr oder minder werthvollen Kleinigkeiten auf.
Dann entwich sie plaudernd und lächelnd wie eine Sylphe in das anstoßende Cabinet, um sich umzukleiden.
Der Major war allein.
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„Da geht sie hin — sie will ihm nicht wehe thun und tritt sein Herz mit Füßen — will mit schonender Hand lösen und stößt ihm das Schwert in die Seele. So sind die Frauen — wär's nicht meine gute Valesca, ich könnte den Stab über sie brechen! Ist diese Unbeständigkeit nun bloß eine krankhafte Laune — bloß Mangel an Entschlossenheit, oder was sonst?
„Zurückweisung eines angesehenen, trefflichen Mannes — um nichts oder eines sonderbaren Conflicts halber; der Casus wäre wirklich komisch, aber wo ist seine Lösung? Und dazu meine verwünschte Situation — lieber eine Batterie im Sturm nehmen, statt einem braven Mann das letzte Licht seiner Hoffnung ausblasen!"
So und ähnlich mochten die Betrachtungen lauten, die sich dem Major aufdrängten. Er war im Ernst aus seine schöne Schwester erzürnt, erzürnt über diesen Mangel an Charakter und Aufrichtigkeit. Alle ihre Gründe wogen nichts; und wenn ihn auch eine gewisse Rührung überschlich, daß die Schwesterliebe in seinem eigenen Werth ein Hinderniß der Entschließung sah, so mußte ihm ! ein solcher Vorzug doch als Selbsttäuschung, ja als Unnatur erscheinen.
„Auch eine Art Sühne für unsere I
ckhe Monatshefte.
Bortrefflichkeit, nun den Schaden zu re- pariren, den sie angerichtet. Wäre ich wirklich der Einzige, der im Wege stände? Tolle Idee — es thäte Noth, ich entkleidete mich dieses Zaubers, thäte etwas, um ihre hohe Meinung herabzustimmen — oder ich verliebte mich in die erste Beste. Aber in wen gleich? — Nein, liebes Kind — in Einem hast du Recht: du allein bist schuld, daß mir die Weiber gleichgültig geworden sind. Aber wenn ich nun doch eine Wahl träfe — wenn auch nur zum Schein. Bah — lassen wir das den Komödienschreiberu. Lustspiele kann man zuweilen erleben, aber ! man soll sie nicht erkünsteln."
Seufzend steckte der Major die anvertrauten Briefe und die kleine Chatouille zu sich, um sich auf den Weg zu machen und sein gewöhnliches Absteigequartier im Gasthaus zur Alpenrose aufzusuchen.
In diesem Moment sah er durch das Fenster, welches auf das Seeufer hiuans- ging, iu einiger Entfernung einen Mann am Strande stehen. Er glich sichtlich jenem, dem er vorhin im Hofe begegnet war — dem Professor Vollmar.
Sollte dieser auf ihn warten? Fast schien es so. Der Major überlegte einen Augenblick. Wozu jetzt schon die entscheidende Begegnung — sie konnte leicht von neugierigen Gaffern beobachtet werden, und wer konnte berechnen, wie sie enden würde.
Als der Major wieder hinsah, war der Mann verschwunden. Desto besser. Nein, heute keine Begegnung. Zeit gewonnen, Alles gewonnen. Wer konnte wissen, ob Valesca nicht morgen schon wieder anderer Meinung war und in anderer Stimmung, obschon wenig Aussicht dazu vorhanden.
! Der Major schritt wieder über den kleinen Hof der Villa, dann durch den Garten und eine Strecke bergauf zwischen I Erlen und Haselstauden, bis er eine freie