Grosse:
mit Bäumen besetzte und von einer niedrigen Mauer umfriedete Anhöhe erreichte.
Es war der Kirchhof der Ortschaft, in der Mitte eine kleine Capelle — eine stille abgelegene und beschauliche Stätte mit grasbewachsenen Hügeln, schattigen Alleen und über das Mäuerchen weg mit entzückender weiter Aussicht über den tiefblauen blitzenden See.
Von hier konnte er ungehindert auf einein Seitenpfade zum Gasthaus zur Alpenrose gelangen. Als er den Ausgang des Gottesackers beinahe erreicht hatte, dort, wo neben der halbzerfallenen Steintreppe ein Vorsprung wie eine Art von Bastion heraustritt, sah er im Schatten der Linden einen Mann auf einer Bank sitzen.
Jetzt, als der Major sich näherte, wandte sich die Gestalt und erhob sich. Es war der Professor Volkmar.
Beide Männer standen sich gegenüber, und nun kam es dennoch zu der gefürchteten Begegnung, zur unerwünschten Auseinandersetzung.
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Professor Erich Vollmar sah bleich aus wie ein Uebernächtiger. Seine Haltung war nicht gebrochen, aber doch eine unsichere, als er jetzt den Hut lüftete.
„Wenn ich mich nicht irre, Herr Major von Eschenloh?"
Der Major verbeugte sich.
„Es mag immerhin den Forderungen der guten Sitte zuwider sein, seinem Gegner so offen in den Weg zu treten, und doch möchte ich Sie auf das dringendste um einige Worte bitten. Ich kämpfe mein Mißtrauen nieder, weil ich Sie für einen Gentleman halte."
Die metallene Stimme des Professors hatte einen milden, wohllautenden Klang. Der Major betrachtete seinen „Gegner" nicht ohne Interesse. Das war eine geist-
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volle, bedeutende Physiognomie. Unter den buschigen Augenbrauen blitzten ihn zwei durchdringende klare Augen an, und um die Schläfen des edel geschnittenen Gesichts ringelte sich kurzes Gelock. Er konnte sogar als ein „schöner Mann" gelten, und der Major mußte sich im Stillen gestehen, daß Valesea keinen schlechten Geschmack gezeigt habe.
Da der Ort einsam und menschenleer war, deutete der Major auf die Platanenallee, die zur Capelle führte. Ein leises Rauschen zog durch die Wipfel, und vom Strande herauf scholl das monotone Anbranden der plätschernden Seefluth.
„Wenn es gefällig ist, Herr Professor
— ich stehe zu Diensten."
Beide Männer machten einige Schritte, dann standen sie still. Der Professor stützte sich auf seinen Stock, den Kops nachdenklich geneigt. Er suchte offenbar nach dem rechten einleitenden Wort.
„Die Situation, in welcher wir uns befinden, mein Herr Major, ist weder gewöhnlich noch ganz klar; doch darf ich wohl voraussetzen, daß Sie wissen, was vorgefallen. Sie sehen mich ausgelöst in Schmerz, Kummer und Verzweiflung. Mein Lebensglück, so festbegründet es schien, ist plötzlich von unbekannter Hand zerstört und aus unbekannten Gründen. Zwar es mag unpolitisch sein, den zum Vertrauten zu machen, der unser entschiedener Gegner war und ist, aber ich wage es dennoch! Sagen Sie mir offen, mein Herr Major, Auge in Auge und Stirn gegen Stirn, was haben Sie gegen mich? — Valesea hat jahrelang unter Ihrem dominirenden Einfluß gestanden. In Italien ward sie frei davon, und mir wurde das namenlose Glück zu Theil, ihr Herz zu gewinnen. Kaum aber in ihre heimische Sphäre znrückgekehrt, ist sie auch wieder dem alten Bann verfallen, und heilte verschließt man mir die Thür
— mir, ihrem Verlobten Bräutigam. Ohne