414 Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
Zweifel habe ich das Ihnen allein zn danken."
„Darin sind Sie doch im Jrrthum, Herr Professor," sagte der Major. „Ich bin nicht Ihr Gegner, wenn ich auch zugebe, daß ich es war noch bis vor einigen Tagen."
„Also doch — das genügt, denn ich habe die Wirkungen empfunden und empfinde sie noch. Nun, mein Herr Major, ich bitte um volle Offenheit, ich bin nicht der Mann, der vor leeren Vorurtheilen zurückweicht oder vor irgend welchen Insinuationen die Segel streicht!"
„Besänftigen Sie sich, Herr Professor," erwiderte der Major. „Nehmen Sie meine Versicherung, daß ich Sie hochachte und daß es mein sehnlichster Wunsch gewesen, es wäre zum erfreulichen Bunde gekommen statt zum Bruch."
„Also wirklich zum Bruch, und das sagen Sie so kurzweg, ohne weitere Begründung!" Das edle Gesicht des Gelehrten erschien fast entstellt. „Wenn Sie nicht durch Discretion gebunden, wenn Ihre Worte im Ernst gemeint sind, so sagen Sie mir ohne Rückhalt, was Valesca zu dieser unerklärlichen Sinnesänderung veranlassen konnte? Ich verehre Sie als den Bruder Valesca's. Selbst wenn Sie mir wehe thäten: von Ihrer Hand schmerzt es nicht. Ist es etwas, das sich ausgleichen läßt, so würde ich Ihre Vermittelung anrufen. Ich flehe inständigst darum!"
„Vermittelung jetzt noch, bester Herr Professor? Ein Bruch vor dem entscheidenden Ja ist unter allen Umständen immer noch besser als eine Scheidung nachher."
„Scheidung nachher, wie kommen Sie darauf?" rief der Professor mit neuer Erregung. „Dann muß ich doch auf Weiteres dringen. Sie begreifen, daß mich solche nichtssagenden Ausflüchte in keiner Weise befriedigen können. Valesca hat sich mir verlobt, und diese Thatsache
ist bekannt geworden diesseits und jenseits der Alpen. Eine solche Entscheidung macht man nicht rückgängig, ohne der Ehre zu nahe zu treten. Außerdem handelt es sich um meinen Ruf nach Dorpat. Er bringt mir den ersehnten Wirkungskreis; unabhängig war ich auch so, aber ohne Valesca's Zustimmung kann ich den Ruf nicht annehmen. So sehe ich Zerstörung und Vernichtung auf allen Seiten!"
„Aber bester Professor!" rief der Major. „Ihre Wissenschaft sollte Ihnen doch höher stehen als ein möglicher Jrrthum in Herzenssachen. Nehmen Sie den Ruf an und reisen Sie — was soll ich Ihnen sonst weiter sagen!"
Der Major stand in wachsender Verlegenheit. Die eigentlichen sogenannten Gründe Valesca's mochte er nicht erwähnen — um so weniger, da er sie selbst mißbilligte. Dieser ehrenhafte Mann gewann unmerklich mit jedem Wort mehr seine innigste Theilnahme. Er imponirte ihm ebenso durch seine Würde als durch seine Beharrlichkeit; und so fühlte sich der Major von Neuem ernstlich aufgebracht gegen die unbegreiflichen Launen seiner Schwester. Unversehens fuhren ihm jetzt die Worte heraus:
„Bester Herr, ich verstehe Valesca selbst nicht, aber so viel ist sicher, Sie würden nie mit ihr glücklich werden. Sie passen nicht zusammen."
„Das muß ich erst heute erfahren und durch Sie?"
„Offen heraus. Ich fürchte, Sie stellen Valesca viel zu hoch!"
„Zu hoch — das sagt mir ihr Bruder!"
„Weil er sie besser kennt als ein Fremder. Mein Gott, erwägen Sie doch die vielfache Verschiedenheit, ich will nicht sagen der socialen Stellung, aber der Lebensgewohnheiten, der Lebensanschauungen, der Erziehung, der gesellschaftlichen Umgebung, der eingesogenen Vorurtheile