den bitteren Trank als ein Stoiker und reisen Sie ab. Andere Luft, andere Gedanken!"
„Ich danke Ihnen nochmals," erwiderte der Professor mit ruhigem und kaltem Tone. „Verlassen Sie sich darauf, ich werde meine Reise antreten."
„Und bald, das müssen Sie mir versprechen, und ohne den Versuch zu machen, meine Schwester noch einmal zu sprechen; das bedinge ich mir ans!"
„Auch das, mein Herr — der Rest ist Schweigen."
Es trat eine längere Unterbrechung ein. Der Nachmittagssonnenschein, der auf dem weiten Thale lag, brütete immer noch mit unvermindertem Glanze, und eine Todtenstille waltete weitnm, als wäre die Stunde des Pan weit über den Mittag ausgedehnt.
Jetzt begann die kleine Glocke der Capelle zu läuten, langsam und eintönig, znm Zeichen, daß soeben ein Kranker in der Ortschaft in den letzten Zügen liege. Die Schwalben flogen in der drückenden Schwüle niedrig über die Gräser der Gräber, an deren Blumen hier und da ein bunter Falter reglos wie im Traum befangen hing.
Beide Männer, welche wiederholt die schattige Allee auf- und abgeschritten, traten in der Nähe der Mauer in das Helle heraus. Dort gähnte ihnen ein offenes, frisch ausgeschaufeltes Grab entgegen, seines Ankömmlings noch harrend, der hier seine letzte Ruhestätte finden sollte.
„Beneidenswertster, müder Wanderer, der hier schlafen wird," sagte der Professor, indem er nachdenklich an der Grube stand; „sein Herz hat ansgeschlagen, über alle Täuschungen hinaus und über allen Jammer des Daseins. O Menschenlos! das ist also die ewige Liebe, von der die Dichter singen, die heiligste Empfindung, die alle Himmel in sich schließt, heut nur Schall und Rauch, Wind und Rausch
Monatshefte, N. 298. — Juli 1881. — Vierte Fog
eines Schönheitstrunkenen, der sich einbildete, für ewig gefesselt zu sein bis zum Grabe, der nicht wußte, daß man stückweis stirbt im Menschenleben, daß alle höchsten Ideale, alle liebsten Ueberzeu- gungen eingesargt und begraben werden eine nach der anderen im Laus der Jahre, bis der müde Leib zuletzt nachfolgt.
„Arme Valesca, auch du wirst es erfahren, wie treulos Zeit, Welt und Herzen sind. Heut noch magst du dich glücklich wähnen, aber eines Tages, wenn auch du verleugnet sein wirst wie ich — dann wirst du vielleicht meiner gedenken, dann wird die alte Wunde wieder aufbrechen, und lebenslang wirst du büßen, Beweinenswerthe, Herrliche, deren Werth Niemand erkannt als der Einzige, den du verworfen!"
Dieses Uebermaß „sentimentaler Einbildung" mißfiel dem Major doch im höchsten Grade, ja die „Eitelkeit" des Gelehrten reizte seinen Sarkasmus von Neuem.
„Darin möchten Sie doch im Jrrthnm sein, bester Herr," sagte er. „Meinen Sie wirklich, Valesca habe nur im allerletzten ihrer Verehrer Wunder welch Idol gefunden? So farblos ist ihr Leben nicht gewesen. Ueberhaupt brauchen Sie nicht zu fürchten, daß eine bevorzugte Natur so phantasiearm ist, um gerade ans einen deutschen Professor zu warten als Urbild der ewigen Liebe. Damit erledigt sich auch Ihr menschenfreundliches Mitleid. So unendlich unglücklich wird Valesca nicht sein. Den Trost kann ich Ihnen geben!"
„Ich verstehe Sie," sagte der Professor, und auch sein Ton gewann an Schärfe. „Comteß Valesca kann also ans ein farbiges Leben zurückblicken. Was verbirgt sich nicht Alles unter solchem Ausdruck. O, wer allwissend wäre, dies Eine könnte mich vielleicht heilen! Und nun, mein wertster Herr Major, da Sie so viel
e, Bd. vi. 34. 2?