Heft 
(1881) 298
Seite
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Grosse: Valcsca

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Bei unpraktischen Bücherinenschen muß man auf die Phantasie wirken. Den ^ Teufel mit Beelzebub austreiben eine ' homöopathische Cur. Solche hohläugige Leidenschaft ist ja geradezu unheimlich, die schlimmste Gefährtin für das Leben. Balesea wäre ewig unglücklich geworden.

Er muß fort. So lange er hier ist, hängt das Gewitter über ihr. Besser, er geht, und wär's mit der schlimmsten Mei­nung. Was liegt daran, wenn nur ein Unheil erspart wird. Ich hasse nichts so sehr als tragische Scenen und vollends sogenannte Katastrophen. Es wäre ent­setzlich, wenn Balesea dergleichen auf dem Gewissen hätte.

Schließlich ist sie anch selbst schuld, wenn er sie für eine Sirene hält. Viel besser hat sie ihn nicht behandelt. Und nun dieser heillose Conflict daznl Bah, Komödienverwickelungen muß man mit Komödienkniffen behandeln!"

Der andere Tag war heraufgezogen, stürmisch, regnerisch und kühl, als wollte der Herbst seine Herrschaft beginnen. Die schönen bewaldeten Anhöhen waren von dichten Nebeln umschleiert, und der graue, bleifarbene See rauschte mit schaum- gekrönten Wellen.

Trotzdem fanden sich die Gäste des Cnrorts wie allmorgendlich, wenn auch heute mit Plaids und Regenschirmen, an der Brunnenhalle zusammen, während andere in den Arkaden des Curhauses promenirten.

Auch Comteß Balesea war erschienen, nachdem ihr Frau Crescenz, die getreue Schaffnerin, die Kunde gebracht, sie habe den Professor in aller Frühe mit seiner Reisetasche zum Posthanse gehen sehen, und er sei bestimmt abgereist.

Das Befinden der schönen, vornehmen Dame schien heute nicht besonders er­

wünscht, die Frische des anmuthigen Ge­sichts war einer auffallenden Blässe ge­wichen. In Wahrheit: obgleich eine

schwere Last von Valesca's Seele ge­nommen, hatte sie doch keine rechte Er­leichterung gefunden. Noch gestern Abend hatte ihr Bruder Karl Bericht über das Ergebniß der stattgefundenen Begegnung erstattet; aber seltsam, die Nacht war schlaflos gewesen, und heute war der graue, sonnenlose, stürmische Tag eben nicht geeignet, ihre düstere Stimmung auf­zuheitern. Trotzdem nun die gewünschte Entscheidung gefallen, begann Balesea eine gewisse Leere zu empfinden. Es war dies nicht etwa Reue, daß sie nun ihre Freiheit wiedergewonnen, auch nicht der Wunsch, daß der Bruch weniger gewalt­sam gewesen sein möge nein, es war die naturgemäße Reaction der Abspannung nach den Aufregungen und Kämpfen der letzten Tage. Außerdem blieb noch eine gewisse Beunruhigung, so lange nicht die ausbeduugene Zurücksendung ihrer Briefe erfolgt war.

Wie gewöhnlich war die schöne und ge­feierte Comteß in der Brunnenhalle von einem Schwarm von Verehrern umgeben, aber alle Bemühungen der galanten Herren, eine belebte Unterhaltung in Gang zu bringen, waren heute erfolglos; Balesea blieb einsilbig und zerstreut. Nie waren ihr die Complimente des Baron von Wetter so fade, nie die Histo­rien und Anekdoten des Hofraths von Angerstein so witzlos erschienen, niemals war der Rittmeister von Landscron so unausstehlich und anmaßend gewesen wie heute, und vollends endlich die Gräfin Binseureuth mit ihren reifen Töchtern!

Was sollten diese bedauernden Blicke, diese theilnehmenden Erkundigungen, diese versteckten Fragen und herausfordernden Bemerkungen? Es war unerträglich, und Balesea bereute schon, ihr Zimmer ver- ! lassen zu haben. Somit war es denn

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