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Jllnstrirtc Deutsche Monatshefte.
nicht, einen leichten Schrei dabei zu unter- Antlitz blieb unbeweglich. Ein Wort drücken. wollte sich auf seine Lippen drängen:
In diesem Augenblick wandte sich Erich Vollmar um, nicht minder betroffen und erschrocken als Valesca, deren Antlitz eine glühende Röthe überflammte.
„Ah, Comteß Eschenloh!" sagte der Professor mit rasch wiedergewonnener Fassung. „Entschuldigen Sie vielmals, daß ich mich noch hier befinde, aber ich bin nicht schuld an der Verzögerung. Sie werden unten erfahren haben, es fehlt an Pferden, aber das Wetter scheint sich aufzuhellen. Die Fährleute von drüben sind bereits unterwegs. Man kann die Boote erkennen. Wünschen Sie vielleicht das Fernrohr?"
Valesca fühlte ihre Zunge wie gelähmt und vermochte kein Wort zu erwidern.
Vollmar deutete dies Schweigen als Ausdruck der Ungnade und fuhr fort:
„Jedenfalls, Comteß, wird diese Aufklärung Sie beruhigen. Ich reise noch heute."
„Ich kam nicht, um Aufklärung von Ihnen zu verlangen!" rief sie jetzt mit etwas gereiztem Tone. „Ich erinnerte mich, mein Spitzentuch hier liegen gelassen zu haben. Ihre Anwesenheit hier konnte ich nicht vermuthen."
Der Professor sah sich um und trat einen Schritt zurück. „Ihr Tuch? ah, da liegt es ja noch!"
Da er keine Miene machte, es von der Bank zu erheben, trat Valesca hinzu und hatte im nächsten Moment das Tuch ergriffen. Dann wandte sie sich, uni zu gehen. Gleichwohl bannte es sie wie mit magischer Gewalt.
„Wissen Sie auch, Herr Professor," sagte sie mit erhobenem Haupt, dessen rothgoldene Locken im Winde flatterten, „daß Sie eigentlich insolent sind? Aber Ihnen darf man dergleichen nicht übel nehmen."
Des Gelehrten blasses, verhärmtes
„Ich wüßte nicht, Comteß, daß wrr uns noch etwas zu sagen haben," aber dies Wort blieb nur Gedanke und wandelte sich unwillkürlich zu einer anderen Erwiderung, die sich mit leisem, fast klagendem Tone hervordrängte:
„Comteß haben an meiner Unvollkommenheit so viel ausznsetzen, daß es ans eine kleine Schwäche mehr oder weniger nicht mehr ankommt."
Valesca stampfte mit ihrem kleinen Fuß unmerklich ans. Gerade diese Bescheidenheit war ihr von je am widerwärtigsten gewesen. Diesmal aber klang fast ein Hauch von Ironie hindurch, und sie erwiderte deshalb:
„Nun, solche Selbsterkenntnis; wäre immer etwas Tröstliches."
„Selbsterkenntniß!" rief der Professor erregt. „Meine theuerste Comteß, leider kommt sie meist zu spät. Wie viel sonst wäre mir an Herzleid und Kummer erspart geblieben — vielleicht auch Ihnen. Sie haben noch zur rechten Zeit diese sokratische Weisheit begriffen. Ich danke Ihnen, Comteß — auch für den visirten Paß, aber sonst — wüßte ich wirklich nicht, daß wir uns noch etwas zu sagen hätten!"
, Das böse Wort war nun doch heraus, und der Pfeil hatte getroffen. Valesca biß sich auf die Lippen, und ihre großen Augen blitzten, als sie erwiderte:
^ „Eine höfliche Verständigung gilt sonst j immer als wünschenswertst unter Leuten i von Stande, aber ans leidenschaftslose Ruhe war bei Ihrer Erregung nicht zu rechnen, sonst würde ich selbst mit Ihnen gesprochen haben."
„Wußten Siedassobestimmt, Valesca?" rief der Professor, den diese Zurechtweisung reizte. „Sie haben vielleicht Recht, haben ! jedenfalls Recht, aber warum reden Sie j jetzt zu mir? Nach der vornehmen Art,