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Jllustrirte Deuts
Theiluahme wird auch Ihrem künftigen Lebenswege folgen. Lassen Sie mich zu- ! weilen von Ihren Erfolgen hören. Die schönste Freude würde es mir sein, zu vernehmen, daß Sie eines Tages auch das häusliche Glück gefunden haben, das Sie verdienen."
Vollmar hielt noch die Hand Valesca's in der seinen. Beide waren inzwischen auf die freie Höhe beim Winzerhäuschen herausgetreten. Der heulende Wind hatte sich momentan gelegt, und durch die ziehenden Wolken brach ein einzelner Sonnenstrahl, der in der weiten funkelnden Bläue des Sees widerleuchtete. Ein zahlloser Schwarm von Schwalben, der von Norden gekommen, ließ sich-jetzt auf das hohe Dach des Posthauses nieder, und das vielstimmige Zwitschern der Rastenden erfüllte die Lüfte.
Die freundliche Zusprache Valesca's klang Vollmar wie Musik und besänftigte die Wogen seiner Seele, aber die letzte Wendung jagte unversehens allen Sturm wieder herauf.
„Niemals, Valesca, niemals!" rief der Gelehrte, und seine mühsam behauptete Selbstbeherrschung war zu Ende.
„Wie können Sie das im Voraus wissen?"
„Ich weiß es, Valesca, weil ich zu den Thoren zähle, die nur einmal lieben auf Erden — eine veraltete Species, eine unmoderne Menschenart; nicht wahr, Com- teß? Ich könnte Ihnen noch andere Thorheiten gestehen. Ich habe es für Schicksalsfügung gehalten, die mich begnadet, Sie kennen zu lernen. Vor jenem Tage war ich ein Gottesleugner, hochmüthig, herzlos und eitel — und wohl oder übel muß ich es nun wieder werden. Es war ja ein Irrweg, daß ich fromm geworden, bescheiden, demüthig und gläubig an Gott und seine Engel, seit Sie in mein armes finsteres Leben getreten. Ich träumte in meinem Aber-
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glauben, auch einmal glücklich zu werden wie andere Menschen — aber es hat nicht sein sollen."
„Es hat nicht sein sollen," sagte Valesca mit leiser Stimme und senkte die Augen.
„Valesca, seien Sie wenigstens im letzten Augenblick gegen mich offen!" rief der Professor mit auflodernder Leidenschaft. „Mein Gott, mir ist's wie eine neue goldene Jugendzeit gewesen, wie ein überirdisches Märchenglück, wie eine unverdiente Himmelsgnade, daß ich Sie Braut nennen durfte! Der Traum war zu zauberhaft, zu göttlich schön, um dauern zu können in dieser schlechten Welt. Ich bettle nicht um Ihre Gnade, ich poche nicht von Neuem an Ihr Herz, aber Eines sagen Sie mir in dieser letzten heiligen Stunde: Was für ein Gespenst hat zwischen uns gestanden? Ich werde wahnsinnig, wenn ich es nicht weiß!"
Valesca erschrak vor der neu ausbrechenden Leidenschaft. Znm ersten Mal vernahm sie jetzt die „überschauernde, allbezwingende Sprache" derselben. Was im wolkenlosen Glück keinen Ausdruck gefunden, tönte jetzt aus dem tiefsten Leid einer edlen Meuschenbrust herauf, übermächtig und bis ins Mark erschütternd.
Betroffen und bebend trat sie vor dem Stürmischen zurück.
„Ich muß Sie inständig bitten, Vollmar, dies nicht weiter zu berühren!"
Aber der Erregte ließ sich nicht ab- schrecken.
„War es Mißtrauen, Valesca, in meine Kraft und meine Zukunft? — Mit dir gehörte mir die Welt, und deine Liebe hätte mich zum Titanen gemacht! Oder war es Mangel an euren Lebensformen? Ich will sie lernen wie ein gelehriger Schüler! Oder Unfähigkeit, dich zu verstehen? Undenkbar! Deine Seele liegt vor mir wie ein heiliges Buch, und deine Liebe würde mir die Weihe geben, alle seine Geheimnisse zu verstehen, und auch