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Jllnstrirte Deutsche Monatshefte.
„Was denken Sie, Comteß, ich kenne ihn gar nicht."
„Oder Gräfin Binsenreuth? Ihre Töchter sind bekannt als Lästerzungen."
„Ich kann auf Ehrenwort versichern, Comteß, daß nie die Rede von Ihnen gewesen ist."
„Also dann Hofrath von Angerstein oder Baron von Wetter. Ich kenne diese Vortrefflichen Alle auf 'der Bank der Spötter; ich habe es ja heute erst erlebt, wie hülslos ich ihnen preisgegeben. Herr Professor Vollmar, haben Sie mich jemals geachtet?"
„Fordern Sie jeden Beweis, Valesca!" rief der Gelehrte fast erleichtert.
Valesca bedachte sich einen Augenblick, aber ihre Gedanken waren verwirrt und zusammenhaugslos. Dieser Gelehrte schien völlig harmlos, auch darin, worin es ein Mann von Welt am wenigsten sein darf. — Ihre Seele durchwogte ein Gemisch von Mitleid mit sich selbst und von Zorn auf ihren unbekannten Feind — Zorn auf die ganze Welt, die den Stab über sie gebrochen.
„Sie haben mir einst das Leben gerettet," begann sie, „aber mehr als das Leben ist die Ehre. Handeln Sie jetzt als mein Vertheidiger, als Mann von Ehre. Ziehen Sie den Verleumder zur Verantwortung, sei es, wer es sei!"
„Sie meinen vor Gericht?"
„Nein, das verbiete ich Ihnen; ich habe nicht Lust, meinen Namen in Acten para- diren zu sehen oder im Munde neugieriger Zuhörer. Das würde den Scandal nur vergrößern."
„Also mit den Waffen in der Hand, ich verstehe," sagte der Professor; aber ein wahrer Schrecken ergriff ihn bei dem Gedanken an die Person dessen, den er zur Verantwortung ziehen sollte. „Unmöglich!" rief er, „ganz unmöglich, Comteß! Wenn Sie wüßten, wer —"
„Also ist es doch eine bestimmte Person — ich will den Namen nicht wissen. Züchtigen Sie ihn! Wenn Ihnen der Math dazu fehlt, dann ist Ihnen auch meine Ehre gleichgültig!"
„Comteß, lassen Sie uns das ruhig verhandeln!" rief Vollmar in halber Verzweiflung. „Sie vergessen, daß ich ein Gegner des Duells bin, ein prin- cipieller Gegner; — Zweikampf — ein Messen der rohen Kraft, im schlimmen Fall Mord oder Selbstmord, und selbst im besten eine Thorheit, eine Barbarei. Wenn Sie Ihre Ruhe wiedergewonnen haben —"
„Ruhe, nachdem Sie die Fackel in mein Dasein geschlendert," unterbrach ihn Valesca. „Kahle Principien, wo es sich um Sein oder Nichtsein handelt. Verzeihen Sie, daß ich Ihnen eine ritterliche Zn- muthung gestellt, und nun will ich Ihnen auch bekennen, was mich von Ihnen entfernt hat — der Zweifel war es, ob Sie ein ganzer Mann, auf den sich eine Frau verlassen kann in allen Lebenslagen. Es ist wahr. Sie haben mich damals gerettet auf dem Vesuv, weil Ihre Arme kräftiger, weil Ihre Schuhe besser als die des Marchese; doch wenn mein Haus brennt, rettet mich wohl auch ein Feuerwehrmann, aber deshalb mache ich ihn noch nicht zu meinem Gemahl. Hier aber steht mein Ruf auf dem Spiel. Das ist die höhere Probe. Bestrafen Sie jenen Nichtswürdigen wie ein Cavalier! Widerrufen muß der Mensch, was er über mich zu sagen gewagt, widerrufen vor Allen, die etwa Zeugen waren. Wie Sie das erreichen, ist Ihre Sache. Bestrafen Sie ihn. Wenn Sie dann die Frage wiederholen, ob ich die Ihrige sein will für Lebenszeit — vielleicht werden Sie dann eine andere Antwort erhalten!"
Und ehe noch der Professor eine Erwiderung auf diese Worte gefunden, schritt Valesca hochaufgerichtet an ihm vorüber