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JlliNtrirte Deutsche Monatshefte.
Thränen. Herr, ich will nicht hoffen, daß Sie sich eine Beleidigung erlaubt haben!"
„Genug, Herr Major!" rief der Professor, in dem jetzt das Mannesblut aufwallte. Der ganze Jammer der letzten Tage und ihrer Seelenfolter kam über ihn, und der aufgestaute, mühsam bewältigte Grimm überschänmte alle Schleusen der Selbstbeherrschung. „Wenn Einer von uns Beiden ein Recht hat, Anklage zu erheben, so sind nicht Sie es; und wenn Einer ein Recht hat, Verantwortung zu fordern, so bin ich es. Verstehen Sie mich!"
Der Major erhob staunend den Kopf und maß seinen Gegner.
„Mein Herr, welcher hohe Ton gegen mich? Ich möchte Sie doch gewarnt haben."
„Sparen Sie Ihren Corporalston für Ihren Exercirplatz und für Ihre dressirten Bauern!" rief der Professor und sprang ans dem Boot. „Wer war es, der von allem Anfang an Unheil gesäet hat als ein unreiner Geist? Sie allein!"
Unreiner Geist! — Das Wort klang zu akademisch, um als ernstliche Injurie gelten zu können. Gleichwohl drehte der Major feinen Bart, und eine finstere Wolke erschien auf seiner Stirn, als er scharf erwiderte:
„Herr Professor, ich wiederhole es, zügeln Sie Ihre Sprache!"
Aber die Warnung kam zu spät. „Wer war es, der die monströsesten Andeutungen wagte gegen die eigene Schwester? Ich weiß zwar recht gut: es ist kein Schatten davon Wahrheit, aber Sie brauchten das als diabolisches Mittel, mich zurückzuschrecken. Ein Faustschlag in meine Seele hinein, um jeden Gedanken an Valesca niederzufchmettern. Erlauben Sie mir zu sagen, Herr, das war eine Infamie!"
Das Gesicht des Majors war blaß bis
in die Lippen geworden. Er gehörte zu jenen Naturen, bei denen aufsteigender Zorn jede Spur von äußerer Erregung in eiskalte Ruhe verwandelt — in jene drohende, selbstbeherrschende Ruhe, die dem Sturm vorhergeht.
„Mein Herr," sagte er mit langsamem sarkastischen Tone, „ein altdeutsches Sprüchwort sagt: In eines Narren Ohr klingt auch weise Rede närrisch."
„Den Narren in Ihren Schlund hinein!" rief der Professor, der jetzt jede weitere Rücksicht vergaß. „Auf der Stelle nehmen Sie dies Wort zurück, oder Sie sollen erleben, daß der alte Bursch noch in meinem Mark lebt. Ich wäre im Stande —"
„Nun was, wenn man fragen darf?"
„Sie zu züchtigen, wie Sie es verdienen, und wenn ich hundertmal ein Gegner des Duells und wenn Sie hundertmal Major und Valesca's Bruder find!"
Jetzt schien die Gelassenheit des Majors zu Ende zu sein. Seine Augen blitzten und maßen den Gegner vom Scheitel bis zu den Füßen, während ein geringschätziges Lächeln der Ueberlegenheit seine bärtigen Lippen umspielte. Dieses Ueber- maß von Prvfessorenmnth schien ihm ein merkwürdiges Phänomen zu sein, das ihn ebenso ergötzte als herausforderte. Aber ehe noch seine Erregung Worte gewann, fuhr der Professor mit wachsender Empörung fort:
„Lachen Sie heute, so viel Sie wollen. Sie allein mache ich dafür verantwortlich, daß Alles so gekommen. Sie, den Friedensstörer, den Dämon, der das Glück zweier Herzen im Werden vernichtet hat. Mir liegt an meinem Leben nichts mehr, aber Ihre Lection sollen Sie erhalten. Morgen früh erwarte ich Sie im Amselgrund am Steinbrnch. Dieser Austrag ist jetzt auch mein Wunsch und meine Rechnung allein, mag daraus wer-