Heft 
(1881) 298
Seite
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Grosse:

den, was da will. Ich habe jede gewalt­same Lösung, jede brutale Entscheidung vermeiden wollen. Es ist eine Monstro­sität, eine Barbarei, aber jetzt ist sie zur Nothwendigkeit geworden und der einzige Ausweg. Ans Wiedersehen, Herr Major!"

Dabei zog er höflich seinen Hut, grüßte würdevoll und entfernte sich mit eiligen Schritten.

Nun war es doch so gekommen.

Der Major stand in der That über­rascht und so zu sagen überrumpelt. Diese Energie hatte er demlarmoyanten Phan­tasten" nicht zugetraut.

Sonderbar, was in aller Welt ist in diesen Kathedermann hineingefahren? Hätte nicht gedacht, daß so alter Wein auf dem Faß noch einmal gähren könnte. Und was soll das heißen: jetzt ist der Austrag auch sein Wunsch? Wessen denn noch? Da liegt ein Räthsel. Ans die Mensur also nach einem halben Menschen­alter zum ersten Mal. Fast könnte mir der alte Bursche gefallen. Aber wo in aller Eile ein paar Schläger hernehmen oder ein paar Säbel, um ihm einen kleinen Denkzettel beiznbringen."

In diesem Augenblicke läutete es im Cnrhause von Sonnensee zur mittäglichen 'lürdlk ck'bots.

Mehr ans Gewohnheit als aus einem anderen Grunde schleuderte der Major langsam zum gastlichen Ziel und trat fünf Minuten später in den geräumigen, geschmackvoll decorirten Spcisesaal des Cnrhanses. Jndeß war sein Staunen nicht klein, in der zahlreichen Reihe der anwesenden Gäste Balesca nicht zu finden, die jeden Mittag hier zu speiseu Pflegte; ihr Platz war leer.

Der letztere befand sich am Ende der langen Tafel, dort wo Gräfin Binsenrenth mit ihren Töchtern, der Rittmeister von Landscron und Hofrath von Angerstein beisammensaßen.

Als der Major in diese Gegend ge-

Valesca.

kommen, verstummte plötzlich das lebhafte Gespräch der Genannten, das unfehlbare Zeichen, daß soeben von ihm oder von Valesca die Rede gewesen war. Die ausdrucksvollen Blicke, welche man wech­selte, bestätigten diese Bermnthung.

Unter solchen Umständen zog es der Major vor, gar nicht Platz zu uehmeu. Er grüßte kurz militärisch, fragte den Oberkellner, ob keine Abbestellung von Seiten seiner Schwester erfolgt sei, und schritt sodann wieder davon, um sofort Valesca aufzusncheu.

Auch heute wie gestern waren alle Fenster der Villa Valesca verhüllt. Doch nein, an der Schmalseite des Hauses war ein Fensterflügel geöffnet, und eine Gestalt im Zimmer verschwand, als der Major sich näherte.

Es war Valesca, die in fiebernder Ungeduld schon drei- und viermal den alten Habermann wie die würdige Sibylle Crescenz ansgeschickt hatte, um den Bruder zu suchen und herbeiznrusen.

Jetzt eilte sie mit verweinten Augen dem Bruder entgegen und warf sich schluchzend an seine Brust.

Mein Charly, wo bleibst du den gan­zen Morgen? Du allein bist meine ein­zige Stütze, und du läßt mich versinken deine unglückliche Valesca. Komm, laß uns heute noch reisen o, wie ich auf einmal dies Gesindel hasse, diese Larven und Lästerzungen. Wären wir doch niemals hierhergekommen!"

Aber Kind, was hast du? Du bist ja ganz aus den Fugen, wie ich dich nie ge­sehen. Was giebt's? Hat dieser Katheder­wicht etwa gewagt?"

O, nicht er, Charly nicht er! Nein, von ihm darfst du nichts sagen. Es ist ein unbegreiflicher Mensch. So habe ich ihn nie gekannt wie heute. Ich habe dem