Heft 
(1881) 298
Seite
431
Einzelbild herunterladen

431

Grosse:

sie haben sich! Köstlich, du kannst deine Hochzeit bestellen und dein Ausgebot!"

Während Valesca zwar halb beruhigt zu ihrem Bruder aussah, aber immer noch nicht recht wußte, wie sie seinen seltsamen Humor zu nehmen habe, ging der Major, leise durch die Zähne pfeifend, auf und ab und rieb sich die Hände.

Dann stand er am offenen Fenster und sah eine Weile hinaus auf die brandeudeu Welleu und ziehenden Wolken, die von der Sonne beleuchtet waren.

Mit den Säbeln ist es nun nichts, aber anders wird es gehen. Ganz ein­fach. Man nimmt ein paar blind geladene Schießprügel, damit er sein Vergnügen hat. Was versteht so ein Büchermensch vom Waffenhandwerk! Dann ein oder zwei Schüsse auf deu Mauu. Der Heros hat bestanden, und die Donna ist befriedigt. Umarmung, Versöhnung, Tableau. Aus­gezeichnet. Aber niemals darf das Kind erfahren, daß ich der infernalische Dämon, der diabolische Verleumder war. Darauf muß der verwegene Held mir noch einen besonderen Schwur ablegen. Daun mag er immerhin mein Schwager werden!"

Der Drosselgrund ist eine wenig be­suchte,wildromantische" Felscnschlucht, eine gute Stunde landeinwärts vom Son­nensee, eine tiefe, finstere Thalmnlde, von welcher manche unheimliche Sage geht.

Dort finden sich uralte, verlassene Steinbrüche mit überhängenden Felsen, deren phantastische Formen Anlaß zu wunderlichen Namen gegeben. Man unter­scheidet unter den grauen moosüberwachse­nen Steinkolossen denMönch" und die Nonne", denAttila" und denWodan", selbst das Profil des Kaisers Napoleon will man in den Linien einer thurmhohen Felsenwand erkennen.

Tannen und Gestrüpp, Steinblöcke und

Valesca.

Höhlungen Alles ist braun und schwarz hier unten, als wäre die Schlucht bereits der Anfang einer unterirdischen Schatten­welt. Selbst die Wasser eines Wildbachs, die lautlos unter Standen und Kieseln vorüberströmen, sind schwarz wie die Tümpel und Lachen, die sich an tieferen Stellen gebildet haben und selbst am heißesten Sommertage nicht austrocknen.

Häufig sollen in früheren Tagen hier Schmuggler und Wilddiebe, Zigeuner und Räuber ihr Wesen getrieben und Unter­schlupf gefunden haben. Ans der Schwe­denzeit berichtet die Chronik von der Bande des rothen Caspar, der sich dem Teufel verschrieben und dessen Gestalt möglicherweise der Urkern zur Sage vom Freischütz geworden ist.

In dieser unheimlichen Schlucht sollten sich die Parteien treffen.

Erich Vollmar hatte seinen Hanswirth, den biederen Revierförster Lüdecke, bei dem er wohnte und der längst einen ge­wissen Antheil an dem Gelehrten nahm, ins Vertrauen gezogen. Die Entdeckung, daß sie Beide ans demselben Landstrich, ja aus benachbarten Ortschaften gebürtig, hatte doch manche gemeinsame Familien- eriunerung aufgefrischt und obschon Beide dem Lebensalter nach etwa zwanzig Jahre aus einander eine Art von Freundschaft hergestellt.

Clemens Lüdecke zählte noch zu den Unversöhnlichen der Sturmjahre 1848 und 1849. Damals schon ein geschworener Feind des Adels und der bestehenden Ordnung, hatte er als thätiger Mitkämpfer in den Scharen süddeutscher Freischärler viel erdulden müssen, unter Anderem eine Reihe von Jahren strenger Haft. Diese Entnüchterung aber war an dem alten rothbärtigen Freiheitskämpfer spurlos vor­übergegangen. Er hatte nichts vergessen, wenn auch Manches gelernt, und trotzdem er später eine bescheidene Försterstelle er­halten, waren gewisse Ueberzeugnngen im