432
Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
Wesentlichen dieselben geblieben wie in seiner Jugend. Begreiflich, daß dieser Conslict des Professors mit dem Major eine Art Fest für ihn war; statt zu beschwichtigen, blies er erst recht in das Feuer, das ihn, streng genommen, nichts anging.
Aus seinem Waffenarsenal hatte er für Vollmar ein paar Pistolen hervorge- sucht, nicht mehr neue, aber solide und massive Schießinstrumente, die einem Fra Diavolo alle Ehre gemacht haben würden.
Förster Lüdecke hatte dem unerfahrenen Gelehrten gerathen, die Zeit zu nützen und sich ein wenig einzuschießen, bevor er den gefährlichen Gang wagte.
„Wozu das, alter Freund?" hatte der Professor erwidert. „Es genügt, wenn ich weiß, wie geladen wird." Jndeß schoß er doch draußen im Banmgarten am Bienenhaus eine Stunde lang nach einem aufgenagelten Brettchen und begleitete jeden Schuß mit Citaten aus alten Classikern.
Seine Stimmung seit gestern war durchaus nicht eine verzweifelte, aber die eines Mannes, der mit den irdischen Dingen abgeschlossen.
Ueberblickte er sein ganzes Leben, so waren es von Jugend auf immer die „Junker" gewesen, die ihn drangsalirt und sein Leben verbittert hatten; schon aus der Schule im Convict, wo er, der bürgerliche arme Teufel, das bsts noü-s der adeligen Alumnen gewesen, die ihn nicht nur als Zielscheibe ihres Ueber- muths benutzt, sondern ihm unzähligemal auch die Folgen ihrer mehr oder minder unfeinen Streiche aufznbürden verstanden. Ebenso aus der Universität, wo er seine Dissertation über die Bauernkriege nicht bloß auf dem Katheder, sondern nachträglich auch auf der Mensur zu ver- theidigen hatte.
Obwohl er damals Sieger gegen drei oder vier Kämpen eines vornehmen
Corps gewesen, war er gerade deshalb ein Gegner des Duells geworden, weil er den hartköpfigen Junkern wohl blutige Quarten, aber nicht andere Ueberzengungen hatte beibringen können.
Die demüthigendste Erfahrung aber sollte ihm als Erzieher in einem vornehmen Hause aufgespart sein, wo man ihn eines Tages Knall und Fall entließ, weil es schien, als ob die Tochter des Hauses seinen revolutionären Lehren, vielleicht noch mehr seiner Persönlichkeit allzu großes Interesse geschenkt. Kurz, überall hatte er eine Art Martyrium seiner „plebejischen" Abstammung erleben müssen; und daß in den folgenden Jahren der Entbehrung, wo es hartes Holz zu bohren galt, um endlich eine selbständige Existenz zu erringen und seinen Ruf als Historiker zu begründen, keine versöhnlichere Stimmung über ihn gekommen, war nur die Folge der früheren Erfahrungen.
Endlich, als er Valesca in Rom kennen gelernt, schienen freundlichere Sterne über sein Leben heraufzuziehen; und nun mußte abermals einer seiner geborenen Feinde seinen Weg kreuzen und fein Glück zertrümmern.
War es nicht überhaupt ein großer Jrrthum, eine unverzeihliche Verleugnung seiner Grundsätze, daß er sein Herz an diese gefährliche Schönheit verloren? In Wahrheit war seine Stimmung gegen Valesca weiter als je von aller Versöhnung. Wie! alle seine Verdienste galten nichts? Nur dann galt er in ihren Angen, wenn er nach dem frivolen Codex sogenannter Cavaliersehre handelte? Nur dann fand er Gnade als Ritter Delorges, wenn er sich herbeiließ, den Handschuh, den die leichtfertigste Verleumdung hingeworfen, ans dem Zwinger der Borurtheile wiederznholen? Er wußte jetzt, daß er die Schwester des verhaßten gewissenlosen Gegners nie erringen