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konnte. Deshalb war ihm der Kampf willkommen.
Die ganze Qual der letzten Tage hatte den Becher feines Leides zum Rande gefüllt, und wenn es ihm jetzt beschieden war, zu sterben — was lag daran! In feinem Testamente hatte er sein nicht unbedeutendes Vermögen, das er einer späten unerwarteten Erbschaft verdankte, den Wittwen und Waisen der Landwehrleute seiner Heimath, die im letzten Kriege gefallen waren, vermacht.
Schon warteten Beide, der Gelehrte und der Revierförster, über eine halbe Stunde im Drosselgrunde, und der Gegner war nicht erschienen.
„Pah! erst beleidigen und dann Satis- faction verweigern, natürlich weil Unsereiner nicht als satisfactionssähig gilt, das ist die rechte Art!" sagte der Förster Lüdecke. „Kommen Sie fort, Professor. Sie haben Ihre Schuldigkeit gethan."
„Es geht nicht," erwiderte Volkmar, der mittlerweile beide Pistolen geladen hatte, „wir müssen wenigstens eine volle Stunde warten." Dann nahm er wieder Platz ans einem moosbewachsenen Felsstück und las gleichmüthig in einem Bande des Plutarch, den er zufällig noch in seinem Ueberrock gefunden. Es war das Leben des älteren Cato.
Endlich vernahm man das Heranrollen einer Kalesche. Der Major von Eschenloh kam mit dem Rittmeister von Landscron ungefähren, einem der zahlreichen früheren Bewerber um Valesca; ein Herr von aristokratischer Tournüre, dem nichts vorzuwerfen, an dem aber auch nichts zu rühmen war, es sei denn seine cavaliere Sicherheit, die häufig der Anmaßung glich, und seine gesellschaftliche Allwissenheit, die oft gleichbedeutend mit der Medisance war. Natürlich hatte der Major den verehrten „Kameraden" nur sehr oberflächlich in den Thatbestand eingeweiht, den er im Voraus als eine Farce
Monatshefte, N. 2!)8. — Juli 1881. — Liierte Fo
Valesca. ^ 433
hingestellt. Dies reichte jedoch hin, den braven Rittmeister glauben zu machen, daß seine Hoffnungen wieder steigen würden, sobald dieser ridicule Kathedermann beseitigt sein würde.
„Ich bitte um Entschuldigung, daß ich warten ließ, meine Herren," sagte der Major in aufgeräumtester Laune, „aber es gelang mir nicht gleich, einen Zeugen zu finden. Beinah hätte ich die ganze Komödie vergessen."
„Komödie, Herr Major!" rief der Professor und erhob sich.
„Nun, was sonst!" war die Antwort. „Viel Lärm um nichts. Komödie der Irrungen, weiter ist es nichts. Aber es ist brav von Ihnen, daß Sie gekommen sind, Herr Professor."
Das Benehmen des Majors war seltsam heiter, ja fast cordial und freundschaftlich, so daß der Rittmeister wie der Revierförster nicht recht wußten, was sie denken sollten.
„Würden die geehrten Herren einen Sühueversuch gestatten?" sagte der Rittmeister nachlässig und offenbar nur, um der Form zu genügen.
„Dem wird unsererseits widersprochen," erwiderte der Förster Lüdecke.
„Auch meinerseits!" rief der Major. „Dann käme ja unser Platoniker um sein Heldenthum. Türkenblut muß fließen!"
„Sparen Sie jede Ironie," erwiderte der Professor, den dieser ungeziemende Ton erbitterte.
„Seien Sie nicht aigrirt, Herr Professor!" ries der Major. „Wir werden uns später schon besser verstehen und diesen Tag zu unseren heitersten Erinnerungen zählen. Vorwärts, lieber Landscron! Sie haben doch unsere vortrefflichen Kuchenreuter nicht vergessen? Packen Sie aus."
„Zu dienen, Herr Major," sagte der Rittmeister und nahm aus dem Sitzkasten der Kalesche ein fein gearbeitetes
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