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Jllustrirte Deut'
„Nicht auf Ihren Wunsch, Comteß," warf jetzt der Professor ein. „Jener Grund war völlig beseitigt. Die Forderung geschah auf meine eigene Rechnung."
„Wie hängt das zusammen? Ich will Wahrheit, Charly, und sofort!"
Der Major nahm den Arm seiner Schwester und führte sie eine Strecke weit nach dem Ausgang der Schlucht.
„Valesca, laß jetzt alles thörichte Fragen. Wisse denn, ich Hab' ihn curiren wollen, aber die Dosis war zu stark; ich wollte ihn fortschaffen aus deinen Wunsch und um jeden Preis. Wer konnte ahnen, daß er dich Wiedersehen würde! Meine Waffe war überladen und platzte mir in der Hand, gerade wie die seine; ich setze dir das ein andermal aus einander."
„Ich verstehe noch immer nicht," erwiderte Valesca. „Also meinethalben
müssen sich mein Bruder und mein Freund auf Tod und Leben fordern! Wie entsetzlich muß ich in den Augen des Edlen, des Theuren erscheinen!"
„Auf Tod und Leben — tolles Zeug!" rief der Major. „Die Komödie war
aufs beste arrangirt, denn meine Waffen waren nur blind geladen, und die alten Wallbüchsen zählten nicht. Da muß der „Edle", der „Theure" sie noch einmal laden, und der Teufel hat sein Spiel. Bah! jetzt komm, Valesca. Wir sind längst versöhnt, und jetzt keine Verstimmung weiter!"
Valesca aber wandte sich von ihm. „Dieser Tag hat über mich entschieden. Hier ist meine Stelle allein!" und sie beugte sich zu dem Leidenden. „Wie geht es, liebster Volkmar? Wollen Sie wirklich von mir scheiden? Sage ein Wort zu mir, Erwin, daß du mir verzeihst. Ich will deine Dienerin sein, deine Pflegerin, deine gehorsame Magd!" Und wieder floß ein Strom zärtlicher und inniger Worte über ihre Lippen.
che Monatshefte.
Erich Bollmar reichte der Geliebten schweigend seine Hand, und ein warmer, inniger Strahl blitzte aus seinem Auge. Er versuchte zu reden, aber die Gemüths- bewegnng wirkte so stark, daß zugleich eine neue Ohnmacht den Verwundeten umfing. Er merkte es nicht, daß man ihn vorsichtig zu der Kalesche trug, die am Eingang des Steinbruchs hielt; er merkte es nicht, daß er langsam in den Wagen gehoben wurde und daß Valesca an seiner Seite Platz nahm und ihn mit ihren Armen umfing.
Als der Major Miene machte, seine Schwester zu begleiten, wies sie ihn mit ernstem, schmerzlichem Blicke zurück.
„Charly, ich bin heute irre an dir geworden. Wenn du den Bann hast lösen wollen, der mich an dich kettete, so hast du es erreicht. Ich will keine Vorwürfe machen, bis ich Alles weiß, aber ich fürchte, es wird einige Zeit vergehen, bis wir uns wieder verstehen lernen. Hier ist noch ein Brief an dich; er wurde bei uns abgegeben, weil man dich nicht fand."
Dann grüßte sie noch einmal mit der Hand und lehnte sich zurück. Der Wagen setzte sich in Bewegnng und fuhr langsam durch die feuchte dämmernde Felsenschlucht, bis er eine Biegung machte und im warmen Goldduft des sonnendurchglänzten grünen Waldgrundes verschwand.
Revierförster Lüdecke hatte als getreuer Begleiter und Mentor seinen Freund, den Professor, nicht allein gelassen, sondern war, zufrieden mit dem Platz auf dem Kutscherbock, mit ihm und der Comteß davongefahren.
Major Karl befand sich nun mit dem Rittmeister von Landscron allein, der selbstverständlich nunmehr aus nähere Erläuterung drang, denn die wegwerfende Behandlung von Seiten der Comteß hatte