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sein reizbares Gemüth bis in die Tiefen alarmirt.
„Was soll ich Ihnen sagen, lieber Freund," erwiderte der Major; „Sie sehen, es ist so weit gekommen, daß ich meiner lieben Schwester einstweilen hinreichend widerwärtig geworden bin, und ich könnte sagen: Gott sei Dank. Ich bin kein Ideal mehr in ihren Augen, sondern ein höchst gewöhnlicher Sterblicher. Tr,nt mieux! Nun ist das letzte Hinderniß ihrer Wahl beseitigt. Laßt die Glücklichen fahren. Zittern und beben mußte sie um ihn, nun ist auf einmal Alles in schönster Ordnung."
„Aber was in aller Welt hat Comteß mich hineinzumischen?"
„Das erzähle ich Ihnen unterwegs. Suchen Sie das Schießzeug zusammen. Ah, da liegt ja die letzte verteufelte Donnerbüchse auch noch! Heda, Führer!" und er wandte sich zu dem Mann, der Valesca vorher begleitet hatte. „Nehmen Sie unsere Sachen und lootsen Sie auch die Handkanone heim. Schade, daß wir darnmgekommen sind, ein Glas Sect zu trinken! Aber eine Cigarre, Rittmeister — ist's gefällig?"
Als er in die Tasche griff, fiel ihm auch jener Brief in die Hand, den Valesca mitgebracht. Der Major erkannte die Schrift seines Freundes, des Commerzien- raths Schätzler.
„Erlauben Sie einen Moment, Herr von Landscron." Und er öffnete und las.
Sein Gesicht überflog dabei ein rasch wechselnder Ausdruck von Staunen, Ueber- raschnng, Verdruß und Bestürzung. Schließlich aber schien eine ausgelassene Laune die Oberhand zu gewinnen, denn der Major brach in lautes Lachen ans.
„Alle Hasen, Rittmeister, das ist denn doch etwas Neues! Das ist noch nicht dagewesen! Ich würde Ihnen den Brief geben, wenn er nicht sehr discrete Dinge enthielte. Die Sache will reiflich erwogen
Valesca. 4W
sein." Und abermals vertiefte er sich in das merkwürdige Schreiben-
Es lautete:
„Theuerster Freund! Schon neulich auf dem Bahnhof, als wir uns einige Minuten sprachen, werden Sie mir angemerkt haben, daß eine gewisse Sorge auf mir lastete.
„Wohl sehe ich ein, es wäre besser, wenn ich mich mündlich mit Ihnen aussprechen könnte, doch andererseits ist die Sache so delicater Natur, daß ich vorziehe, zur Feder zu greifen, um Abschied für immer von Ihnen zu nehmen.
„Allerdings Abschied, verehrter Freund, so schwer es mir auch ankommt. Sie wissen: wir haben lange Jahre als die Unzertrennlichen gegolten beim Whist, beim Schach, auf der Kegelbahn wie im Casino und auch am häuslichen Herde. Ich kann sagen, es waren meine glücklichsten Stunden, die ich bei Ihnen verlebte; sie werden niemals wiederkehren, niemals!
„Leider ist jene schöne unvergeßliche Zeit meiner guten Nichte nicht znm Glück ausgeschlagen. Sie waren so gütig, sich neulich nach ihr zu erkundigen, und ich theilte Ihnen damals mit, daß sich alle Bewerber nunmehr definitiv zurückgezogen, trotzdem in keiner Weise ein äußeres oder inneres Hinderniß bestand oder vielmehr zu bestehen schien.
„Ich muß offen bekennen, daß jener unerwartete stillschweigende Refüs, der fast gleichzeitig von mehreren Seiten erfolgte, mich in weit höherem Grade alterirte als Cornelien. Und so nahm ich bei einer späteren Gelegenheit Anlaß, Herrn Legationsrath von Saldern in vorsichtigster Weise über die Gründe des auffallenden Rückzuges zu fondiren. Es ging dies um so zwangloser, als Herr von Saldern mir in verschiedener Beziehung verpflichtet war.
„Stellen Sie sich vor, welche unerwartete, ja fast unglaubliche Eröffnung man mir machte.