440
Jllustrirtc Deutsche Monatshefte.
„Man zog sich zurück — nicht bloß Herr von Saldern, auch Graf Bugslaff, wie Oberst von Lenz, lediglich aus Rücksicht für Sie, verehrter Freund. Alle Welt glaubte, daß unser intimer Verkehr noch einen anderen Grund habe und daß Ihre täglichen Besuche nicht eigentlich mir, sondern meiner guten Nichte gegolten, aber daß Sie wohl Gründe hätten, Ihre Entscheidung aufzuschieben. Dies war auch von anderer Seite die allgemeine Meinung, und nur aus dieser zarten Rücksicht standen jene Bewerber im letzten Augenblick zurück.
„Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie mich jene Eröffnung geradezu bestürzt hat, denn ich hätte mir nicht im Traum dergleichen Annahmen und Vermuthungen einfaüen lassen. Sie hatten ja auch in keiner Weise Ursache, Ihre Häuslichkeit jemals zu verändern, denn wer in der Welt konnte sich mit der liebenswürdigen, anmuthigen Valesca vergleichen.
„Darüber sind nun Jahre hingegangen, und meine gute Cornelia ist schließlich doch um ihr Lebensglück gekommen; allerdings aus einem Jrrthum, der in anderen Augen sogar komisch erscheinen könnte, wenn er nicht so verhäuguißvoll in seinen Wirkungen gewesen.
„Lassen Sie mich endlich noch gestehen, daß ich meine Nichte selbst in allem Ernst erforscht, ob sie jene irrige Voraussetzung etwa getheilt habe. Ich bin zu discret, ihre übrigens unklare und evasive Antwort mitzutheilen; aber weil es klar ist, daß sie unter solchen Verhältnissen leidet, wird es besser sein, unseren Aufenthalt zu verändern, so schwer ich mich in diese Nothwendigkeit füge.
„Und somit, theurer Freund, leben Sie wohl für immer. Jene schönen Jahre werden uns unvergeßlich bleiben lebenslang. Empfehlen Sie uns Comteß Valesca, an deren Glück wir lebhaftesten Antheil nehmen, und bewahren Sie uns ein ebenso
treues Angedenken, wie Ihnen ewig widmen wird Ihr re. re."
Das war der „merkwürdige" Brief, der den Major in größere Aufregung setzte als alle Erlebnisse der letzten Tage.
Mit vorsichtigen Worten unter dem Siegel der Verschwiegenheit deutete er dem Begleiter seine wunderliche Lage an, auch den wesentlichen Inhalt des Briefes.
„Ist je so etwas erhört!" schloß der Major. „Wer mich nicht kennt, müßte mich danach für einen wahren Satansbraten halten. Meine Schwester wagte nicht zu wählen, weil sie zu sehr an mir hing, und mein bester Freund sagt mir die Freundschaft auf, weil sie zur Vogelscheuche geworden für das Glück seiner Nichte. Haben Sie niemals einen passiven Don Juan gesehen, Rittmeister, so sehen Sie mich an!"
„Es mögen solche verborgenen Com- plicationen häufiger in der Welt Vorkommen, als man weiß," meinte Herr von Landscron; „aber was denken Sie zu thun?"
Der Major lachte grimmig vor sich hin. „Heirathen aus Pietät, heiratheu aus Entschädigung, weil man die Werber verscheucht hat. Auch ein neues Motiv; aber wenn ich's unterlasse, verliere ich den Freund, und mein ganzes Behagen, meine ganze Lebensordnung ist zum Teufel! Auch eine Strafe für den Weiberfeind!"
„Also Sie werden wirklich —"
„Was in aller Welt bleibt denn übrig!" rief der Major. „Von zwei Uebeln, heißt ! es, soll man das kleinste wählen, und mir ! wäre das größte die Einsamkeit, die Verlassenheit. Ich bitte Sie: an einem Tage die Schwester verlieren und den Freund dazu, das ist zu viel! Lieber schösse ^ ich mich todt!
„Cornelia meine Frau?" fuhr er nach einer Pause fort. „Daraus habe ich sie