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Grosse: Valesca.
mir noch nicht angesehen. Aber was wahr ist, darf man sagen: sie ist fein gebildet, schön gewachsen, sehr gut conservirt, allzeit bei frischem Humor und hat auch sonst das Herz auf dem rechten Fleck. Aber wer sieht solche Borzüge neben einer Valesca! Ich glaube, ich bin ebenso verrannt gewesen wie meine Schwester — blinde Passagiere Amor's, Beide, wenn auch im wirklichen Sinne blind. Aha, da kommt der Omnibus von Heidenheim; ich wäre im Stande, gleich mitzufahren und per Bahn in die Stadt, um heute noch reinen Tisch zu machen!"
„Und Ihre versprochenen Erläuterungen, Herr Major?" sagte der Rittmeister.
„Erläuterungen worüber? ah so, wegen der Ungnade meiner Schwester, die Sie für den Gegner des Professors hielt — war ja nur eine Ehre für Sie als einen älteren Verehrer; aber das läßt sich applaniren. Hier, bringen Sie Valesca den Brief des Commerzienraths und sagen Sie ihr, ich wäre sofort in die Stadt. Dann wird Alles vergeben und vergessen sein. Morgen wird man Weiteres hören. Arrangirt sich Alles, wie es nun wohl nicht anders kommen kann, so feiern wir eine Doppelhochzeit, und das bald — der bestrafte Weiberfeind und die Männerfeindin aus Bruderliebe!"
Mit diesen Worten nahm er Abschied vom Rittmeister von Landscron und stieg in den Postomnibus, der bald am einsamen sonnigen Seeuser hinrollte, während der Postillon sein Lieblingsstück auf seinem Posthorn blies. Es war die alte schwäbische Volksweise: Morgen muß ich fort von hier und muß Abschied nehmen...
Darf man verbürgten Privatmittheilungen und weitverbreiteten offenen Couverts mit üblichen schön gestochenen Karten glauben, so ist noch im selben Jahre die bewußte Doppelhochzeit gefeiert worden. Professor Vollmar hat den Ruf nach Dorpat zu Gunsten einer Anstellung an der heimischen Universität ausgeschlagen, und beide Paare leben in ungetrübtem Glück und Behagen mit einander. Die einzige Wolke, welche zuweilen den sonnigen Kreis der Glücklichen beschattet, ist der Unmuth des Commerzienraths.
Worüber? — Nun, über nichts Anderes, als daß der Major gänzlich jedes Interesse an den Kupferstichmappen wie an der Münzsammlung verloren hat. Valesca aber, die strahlende und glückselige Frau Professorin, tröstet lachend den Hagestolz und giebt ihm den freundschaftlichen Rath, sich wenn möglich gleichfalls noch nach einer Lebensgefährtin um- zusehen.
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