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Büchner: Die Macht der Vererbung.
temniüs", an den „Witz der Sheridans", an den Sohn Tasso's, an die Familien Hirschel, Coleman, Kemble, Coleridge u. s. w. — Ribot (a. a. O.) hat sich die Mühe genommen, ganze Reihen von Tonkünstlern, Gelehrten, Schriftstellern, Politikern u. s. w. bezüglich der Erblichkeit der Familienanlage zusammenzustellen und zählt z. B. unter einnndfünfzig Dichtern nicht weniger als einundzwanzig, unter vierzig Malern nicht weniger als zwanzig auf, bei denen eine Familienanlage mit Bestimmtheit nachzuweisen war. In gleicher Weise zeigt er die Erblichkeit des Gedächtnisses, der Einbildungskraft, des Denkvermögens u. s. w. Freilich kann sich eine solche Familienanlage nicht ins Unbegrenzte fortsetzen, da der verwirrende Einfluß der Kreuzung dem stetig entgegenwirkt; aber wir haben an dem Beispiel der Familie Bach gesehen, daß, wo dieser Einfluß fehlt oder in gewisse Grenzen gebannt ist, die Fortsetzung in der Thal existirt.
So wie bei Einzelnen oder in Faunlien, giebt es auch eine Vererbung gewisser Charaktereigenthümlichkeiten oder Anlagen bei ganzen Völkern oder bei einzelnen Gesellschaftsclassen. Hierher ist z. B. zu rechnen das berühmte Handelsgenie der Juden, welches bei diesem seit seiner Vertreibung aus Palästina fast nur ans Handel unter fremden Völkern angewiesenen Volke sich von Stufe zu Stufe entwickelt und durch Vererbung befestigt hat. Oder es kann hierher gerechnet werden der kriegerische Geist mancher Nationen, z. B. der Franzosen, von deren Vorfahren, den alten Galliern, schon der scharfblickende Cäsar eine Schilderung entwirft, welche noch vollständig auf ihre heutigen Nachkommen paßt, indem er als ihre hauptsächlichsten Charaktereigenschaften hervorhebt: Liebe zu den Waffen, zu Revolutionen, Eitelkeit und Rednergabe.
Die sociale Einrichtung des Adels ist ganz ebenso auf die Idee der Erblichkeit gegründet wie das indische Kastenwesen und auf die Voraussetzung, daß edler oder ritterlicher Sinn, vornehme Haltung, Tapferkeit und dergleichen sich von den Eltern auf die Kinder oder familienweise fortpflanzen. Mag man das Institut des Adels als solchen billigen oder
verwerfen, man kann nicht umhin, zuzugeben, daß er seine durchaus natürlichen Ursachen hat und daß er, mochte er nun ursprünglich entstanden sein, wie er wollte, doch stets an der Erblichkeit, an dem Vorrecht der Geburt, sesthielt. Er ging dabei von der ganz richtigen Voraussetzung aus, daß mau von seinen Vorfahren Muth, Ehrgefühl, Biederkeit n. s. w. ebenso ererbe wie Kraft, hohen Wuchs u. s. w. und daß, wie man annahm, Edle oder Tapfere nur wieder von Edeln und Tapferen abstammen könnten. Allerdings hat der in früheren Jahrhunderten wohlberechtigte Adel in unserer nach socialer Gleichberechtigung strebenden Zeit durch seine sociale Absperrung von den übrigen Gesellschaftsclassen in anderer Richtung wieder schwerwiegende Nachtheile auf sich geladen.
Diese Nachtheile zeigt das indische Kastenwesen in noch viel höherem Grade, obgleich auch hier, wie schon erwähnt, der Glaube an die Reinheit der Kaste ganz durch die an sich richtige Voraussetzung der Erblichkeit von Charakter, Anlagen u. s. w. bestimmt wird. Die heiligen Gesetze Manu's, des indischen Gesetzgebers, ruhen ganz auf der Idee der Erblichkeit oder der leiblichen wie seelischen Vererbung und besagen ausdrücklich: „Ein Weib gebiert immer einen solchen Sohn, der mit den Eigenschaften seines Erzeugers begabt ist"; und: „Ein Mann von verworfener Abkunft erbt die schlechte Eigenart seines Vaters oder seiner Mutter oder Beider zusammen. Niemals kann er seine Herkunft verleugnen"; endlich: „Man muß den einer niederen Kaste Angehörigen und von einer verachteten Mutter Geborenen an seinen Handlungen erkennen können." — In der That haben, wie Waitz (a. a. O.) mittheilt und wie auch gar nicht anders vorausgesetzt werden kann, die englischen Missionäre die Kinder der höheren Kasten oder der Brahmanen weit begabter und bildungsfähiger gefunden als die aus niederen Kasten, und nach Morton (Orsnia umsriauna) lassen die Schädel der peruanischen Inkas oder der ehemaligen höchsten Kaste Peru's auf em entschiedenes geistiges Uebergewicht des damaligen Adels über das niedrige oder eigentliche Volk schließen. Aber ganz das Nämliche lehrt ja auch ein Blick