Heft 
(1881) 298
Seite
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Jllnstrirtc Deuts

was dem einen, was dem anderen zuzu­schreiben ist. Dieses zeigt sich auch sehr deutlich in der vielerörterten und von so zahlreichen Mißverständnissen umgebenen Frage von den sogenannten Jnstincten oder Kunsttrieben der Thiere, aus denen durch allmalige Entwickelung auch die Jnstincte oder unbewußten Antriebe der menschlichen Natur hervorgegangen sind und über deren Entstehungsursachen ein endloser Streit unter den Gelehrten ge­führt wurde und theilweise noch geführt wird. Der Streit ist unnöthig oder gegenstandslos geworden, seitdem durch die Erkenntniß von der Macht und den Gesetzen der Vererbung oder Erblich­keit das eigentliche und an sich sehr ein­fache Sachverhältniß vollkommen aufge­klärt ist.

Danach müssen alle sogenannten Jn­stincte oder unbewußten Antriebe be­trachtet werden als allmälig entstandene, durch Vererbung und Forterbung nach und nach bleibend gewordene geistige oder seelische Triebe, Neigungen, Anlagen oder Lebensgewohnheiten oder wenn man es mehr anatomisch-physiologisch aus- drücken will als in gleicher Art ent­standene mechanische Dispositionen des Gehirns und Nervensystems zu dieser oder jener Art von Thätigsein. Ehe man den Einfluß der Erblichkeit kannte, ver­stand man es nicht, die Jnstincte und Knnsttriebe auf andere Weise zu erklären als durch eine Art von unbewußtem und angeborenem Hellsehen, oder als von einem höheren Wesen oder einer höheren, von verständigen Absichten geleiteten Macht jedem Einzelwesen zu dessen Wohl und Erhaltung eingepflanzte Triebe und Anleitungen zu einem zweckmäßigen Han­deln, und zwar, was die Hauptsache war, ohne Bewußtsein des Zwecks. Die De­finition an sich war ganz richtig, nur die Erklärung ließ zu wünschen übrig und ließ die ganze Theorie nicht bloß als eine gewaltsame, sondern auch als eine mit zahllosen widersprechenden Thatsachen nicht oder schwer vereinbare erscheinen. So konnte es nicht fehlen, daß daraus ein ewiger Streit zwischen den Anhängern einer teleologischen und denjenigen einer nichtteleologischen Anschauung entstehen mußte, ohne daß man der Unzulänglich­keit der leitenden Gesichtspunkte wegen zu

che Monatshefte.

einem entscheidenden Resultat gelangen konnte. Seitdem aber die Angeborenheit ihre ausreichende Erklärung in der Erb­lichkeit oder Vererbung allmälig entstande­ner Gewohnheiten oder Antriebe gefunden hat, ist man auf einen vollkommen klaren Standpunkt gelangt. Nur darf man sich nicht der falschen Vorstellung hingeben, als ob die Angeborenheit in dieser Frage Alles erschöpfe und als ob mit ihr die vollständige Anleitung zu einem zweck mäßigen Handeln ohne jede Nebenrück sicht gegeben sei. Denn es werden, wie es scheint, keine Ideen oder fertigen Vor­stellungeil vererbt, sondern nur die An­triebe, Neigungen, Anlagen oder Talente dazu, während das Uebrige, um daraus wirklich zweckmäßige Handlungen hervor­gehen zu lassen, theils durch Erfahrung, theils durch Erziehung geschehen muß. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, daß der Einfluß der Änge- borenheit oder des unbewußten Hell­sehens in demselben Maße zunimmt, in welchem man tiefer in der Thierreihe hinabsteigt, während bei höheren und verständigeren Thieren Erziehung und Erfahrung eine oft größere, wenigstens ebenso große Rolle spielen wie die an­geborene Anlage oder Neigung. Doch wollen wir unsere Meinung an einigen naheliegenden Beispielen zu begründen suchen.

Von dem Biber nimmt man an, daß demselben sein merkwürdiger Bau- oder Knnsttrieb der Art angeboren sei, daß auch ganz jung von der Mutter weg­genommene Thiere, bevor sie irgend eine Anleitung erhalten hätten, einen regel­rechten Biberbau anfzuführen im Stande wären. Dieses ist ganz unrichtig; im Gegentheil versichern uns die Biberjäger übereinstimmend, daß die jungen Thiere nicht weniger als drei Jahre hindurch bei den Eltern bleiben und während dieser Zeit von ihnen unterwiesen wer­den, ehe sie selbständig als Baukünstler agiren. Wohl machen jung eingefangene Biber, wenn man ihnen die nöthigen Materialien reicht, allerhand Bau- und Flechtversnche, indem der von den Eltern ererbte Bautrieb in ihnen lebendig wird; aber zu einem förmlichen Biberbau brin­gen sie es ohne Unterweisung oder An­leitung ebenso wenig wie die sogenannten