Heft 
(1881) 298
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Büchner: Die Macht der Bcrcrbnna.

Höhlenbiber, welche da, wo sie vereinzelt ^ zu leben gezwungen sind, statt ihrer be- ^ rühmten Flnßbauten sich damit begnügen, ! Höhlen in das Ufer zu graben und die­selben mit Astwerk zu verrammeln. Aus gleichem Grunde bauen junge Vögel schlechtere Nester als ältere, oder bauen junge Vögel, welche man einsam in Bauern aufzieht, entweder gar keine oder sehr unvollkommene Nester, indem ihnen Erfahrung, Uebung oder Anleitung fehlen; oder sind ältere Thiere, z. B. Füchse, schlauer als junge, weil die erzieherische Einwirkung des Lebens und der Erfah­rung sich bei ihnen geltend zu machen Zeit hatte. Indessen hat schon G. Leroy die Bemerkung gemacht, daß in solchen Gegenden, in denen die Füchse viel ge­jagt werden, die jungen Thiere schon beim ersten Hervorkommen auffallende Verschlagenheit und Vorsicht an den Tag legen, offenbar weil sie die Anlage dazu von den durch Erfahrung ängstlich ge­wordenen Eltern ererbt haben. Ganz das Nämliche gilt von der Furcht der Thiere vor den Menschen überhaupt, welche Furcht nach den übereinstimmen­den Berichten der Reisenden in menschen­leeren Gegenden oder auf unbewohnten Eilanden ursprünglich ganz fehlt und dem Thier erst durch Erfahrung und Ver­erbung der dadurch entstandenen Aengst- lichkeit eingeprägt worden ist. Das junge, der Eischale entschlüpfte Huhn ist durchaus nicht, wie Viele meinen, ein fertiges, mit allen Vorzügen seines Ge­schlechtes ausgerüstetes Geschöpf, sondern es muß das Laufen, Saufen, Auspicken von Körnern n. s. w. erst unter Anleitung der Mutter nach und nach erlernen. Ebenso wenig ist es richtig, daß die der Eischale entschlüpfte junge Ente oder Gaus von selbst das Wasser aufsuche, in welchem sie sofort sich als fertige Schwimmerin bewähre; die jungen Thier- chen haben im Gegentheil anfangs Furcht vor dem Wasser und müssen, wie alle Schwimmvögel, das Schwimmen, Wasser­saufen, Aufsnchen der Nahrung u. s. w. erst von den Alten lernen, wobei ihnen freilich die von den Eltern ererbte An­lage zu diesen Lebensgewohnheiten auf das wesentlichste zu Statten kommt. Frau Rüge in Schwerin hat beobachtet, wie eine Tanbenmutter drei eben flügge

gewordene Jungen am Rande eines Wasserzubers mit großer Mühe zum Trinken anleitete und erzog. (Man ver­gleiche des Verfassers SchriftAus dem Geistesleben der Thiere", 3. Ausl., S. 30.)

Der berühmte Wandertrieb der Vögel ist gewiß einer der stärksten, wenn auch nur allmälig entstandenen Triebe der thierischen Natur und macht sich auch bei gefangen gehaltenen Zugvögeln zur Zug­zeit in heftigster Weise und ohne Be­wußtsein des Zweckes geltend. Dennoch ist kein einzelner Vogel, der einen Zug noch nicht mitgemacht hat, im Stande, bloß unter Anleitung seines Triebes eine wirkliche Wanderung anzutreten; er be­darf dazu der Hülfe, Unterweisung und Anleitung seiner erfahreneren Mitgeschöpfe. Sogar bei anscheinend auf der thierischen Stufenleiter so tief stehenden Geschöpfen wie Ameisen und Bienen, bei denen der ererbte Trieb zu einer bestimmten, unter einander im Zusammenhang stehenden Reihe von Handlungen ihr ganzes Da­sein beherrscht und bestimmt, ist eine Er­ziehung der Jungen durch die älteren Individuen durch zuverlässige Beobachter mit aller Bestimmtheit nachgewiesen wor­den. Auch vertheilen sich bekanntlich die vielfachen Geschäfte der Gemeinschaft in verschiedener Weise an die älteren und jüngeren Individuen. (Näheres in des Verfassers soeben citirter Schrift.)

In besonders belehrender Weise zeigt sich das Verhältniß zwischen ererbter An­lage und Ausbildung derselben bei Thieren in solchen Fällen, wo das erzieherische Zuthun des Menschen mit in das Spiel kommt und wo demnach eine angeborene, von den Eltern ererbte Neigung oder Anlage durch Erziehung, Dressur oder Erfahrung zu einer wirklichen Lebens­gewohnheit oder Kunstfertigkeit wird. Hierher ist z. B. zu rechnen das bereits erwähnte Stehen der Jagdhunde, welches theils auf angeborener Gewohnheit, theils auf Erziehung beruht; die theils ange­borene, theils anerzogene Neigung der Schäferhunde zum Umkreisen der Heerde oder der Hofhunde zur Wachsamkeit; die gleicherweise entstandene Neigung der Bernhardiner oder Neufundländer Hunde zur Rettung von Menschenleben; die Nei­gung der Hühnerhunde, in das Wasser