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ten — es muß zuletzt eiu bestimmter Zustaud des Gehirus uud seiner Func- tionsweise erzeugt werden, der als das letzte Resultat fortgesetzter Entwickelung, Vererbung uud Erfahrung des ganzen Menschengeschlechts erscheint. So kann allerdings der einzelne Mensch von diesen ihm überkommenen Formen des Denkens oder der Anschauung unmöglich sich frei machen, da er sie mit der Organisation seines Gehirns selbst übernommen hat; aber dennoch sind diese Formen nicht apriorisch im Sinne der theoretischen Philosophie, d. h. nicht vor aller Erfahrung, sondern nur apriorisch insoweit, als sie der Erfahrung des Einzelnen vorangehen. Mit anderen Worten: die angenommene Apriorität der Denkformen ist wahr für den einzelnen Menschen, aber unwahr für das Geschlecht! Kant und seine Nachfolger haben den menschlichen Geist mw in seiner vollendeten Entwickelung und nicht in seiner Entwickelung selbst betrachtet; sie nahmen die Gesetze des Denkens als fertige Thatsachen hin, statt ihre Entstehung zu ergründen und namentlich die Rolle der Erblichkeit bei Entstehung der Denkformen in Betracht zu ziehen. Die von ihnen angenommene Apriorität oder Voraussetzungslosigkeit gewisser Grundbegriffe des Denkens kann sehr gut mit der ehemaligen und jetzt gänzlich verlassenen Präformationstheorie der sogenannten Evolntionisten in den organischen Naturwissenschaften verglichen werden. Denn hier wie dort wird ein ursprünglich Fertiges und Feststehendes als vorhanden angenommen, während in Wirklichkeit nur eine jedesmalige, durch die Vorgänge der Vergangenheit bestimmte Entwickelung oder Neubildung aus den Urelementen stattfindet; daher die Theorie der sogenannten Epigenese oder Nachbildung (Nachzeugung) diejenige der Präformation und der damit verbundenen Evolution (Answickelung) nunmehr vollständig abgelöst hat. Da mm aber Mechanismus und Logik das Nämliche sind, und da die Vernunft in der Natur auch die Vernunft des Denkens ist, so ist leicht zu begreifen, daß ganz dasselbe Verhältniß auch für die Entstehung der Denkformen und des Denkens selbst maßgebend sein muß.
Uebrigens dürften, wie es uns scheint,
che Monatshefte.
die Denkforinen von Raum und Zeit auch schon in der räumlichen Ausdehnung des Denkorgans und in dem zeitlichen Geschehen der Gehirnproceffe begründet sein, so daß es schon darum unseren! Geiste unmöglich ist, sich in der Vorstellung von diesen Schranken frei zu machen, während selbstverständlich das Gefammt- dasein als solches diese Schranken nicht kennt.
Nach alleni Diesen halten wir uns für berechtigt, das Denkgesetz, gerade so wie das Moralgesetz, für ein Naturgesetz und als Folge natnrgesetzlicher Entwickelung zu erklären. Die menschliche Vernunft oder Geistesthätigkeit ist nur der Spiegel, der das All zurückwirft, und das letzte Resultat jener bereits geschilderten Wechselwirkung zwischen dem Organismus und seiner Umgebung während kosmischer Zeiträume, in ununterbrochenem Zusammenhang gehalten durch das große Gesetz der geistigen Vererbung.
Es braucht nach allem Gesagten wohl kaum ausdrücklich hervorgehoben zu werden, daß hiermit oder mit dein Gesetz der intellectuellen Vererbung zugleich Anlaß und Gelegenheit für einen endlosen geistigen Fortschritt der Menschheit gegeben ist, indem jede einzelne Generation die von ihr gemachten geistigen Erfahrungen, Erwerbungen oder die von ihr gewonnenen seelischen Fertigkeiten, Fähigkeiten u. s. w. gewisserinaßen in der Organisation ihres Gehirns festlegt und durch Vererbung dieses so modificirten oder in seiner Leistungsfähigkeit gesteigerten Organs ein mehr und mehr befähigtes, zu stets höherer geistiger und moralischer Entwickelung neigendes Geschlecht hervorbringt. Es vermehrt auf diese Weise die Vererbung die Intelligenz in jedem einzelnen Geschlecht und befähigt dieselbe zu neuen Entwickelungen auf dem Wege der all- mäligen Ansammlung von Denkfertigkeiten und Denkfähigkeiten.
So gehen Erblichkeit und Entwickelung Hand in Hand, um nach stets höheren Zielen zu streben. Entwickelung oder Veränderung ohne Erblichkeit würde Alles dem Zufall überlassen und ein heilloses Chaos zur Folge haben; Erblichkeit ohne Entwickelung würde eine endlose Einförmigkeit erzeugen. In der Entwickelung mit Erblichkeit dagegen begegnen wir