Heft 
(1881) 298
Seite
457
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Ein Ausflug in den Sipylos.

Von

Karl Humann.

Iler Gebirgszug, der, in der nord- H östlichen Ecke des Golfes von Smyrna sich erhebend, den Beschauer zwingt, mit den

Augen seinem immer höher ansteigenden Grat tief ins Land hinein nach Osten zu folgen, wo schließlich seine über viertausend Fuß hohen Steinmassen, oft von Wolken umhüllt, im Winter in Schnee glänzend, den Horizont begrenzen, hat in der Land­karte die Form einer Ellipse von 44 Km (9 Stdn.) Länge und 17 Km (3^2 Stdn.) Breite, die sich in der Längenrichtung genau von West nach Ost lagert. In der Mitte der südlichen Langseite hängt das s Gebirge durch einen eine halbe Stunde breiten und nur etwas über 100 m hohen Sattel mit dem Nif-dagh (vielleicht dem! alten Olympos) zusammen; sonst ist sein! Fuß ringsum scharf begrenzt. Westlich ! vom genannten Sattel liegt die paradiesische Burnabatebene, dann netzt das Gebirge bis Cordelio seinen Fuß im Meere; nach Westen war es seit Jahrtausenden Zeuge, wie der Hermns seinen Sand ablagerte und das Meer verdrängte, und heute dehnt sich dort meilenweit, eben wie eine Wasser­fläche, das Alluvialland von Menemen; im Nordwesten rollen die Felsblöcke des Gebirges in den Hermus, der sich hier durch eine enge Schlucht einen Weg ge­sucht, jedoch nicht eng genug, als daß unser Landsmann G. Möllhausen der Eisen­bahn nicht noch ihren Pfad erobert hätte; nach Norden und Nordosten dehnt sich die

' hyrkanische Ebene aus, dnrchströmt vom ^ Hyllus oder Phrygius der Alten, heute türkisch Kum-tschai (d. i. Sandfluß), und in der Nähe seiner Bereinigung mit dem Hermus hat sich Magnesia unter des Ge­birges höchstem Gipfel, wie Schutz suchend,

! dicht an seinen Fuß gelagert. Nach Osten sehen wir die Hermnsebene hinauf und er- ^ kennen noch die Königsgräber bei Sardes. Im Südosten endlich, sich an den Sattel, von dem wir ausgegangen, wieder an­schließend, schauen die öden Gebirgsabhänge in die weinreiche Nymphioebene.

Sage und Geschichte begleiten unseren Rundgang in einer Fülle, wie sie sonst wohl kaum ein anderer Erdfleck bietet.

Das älteste Götterbild Kleinasiens, Kybele, schaut ernst von der Felswand; des Tantalus und Pelops Namen sind an das Gebirge geknüpft und mit ihnen die ganze Tragödie der Atriden; Crösus fällt und das Reich der Lydier; von wei­ter Ferne kommend, herrschen hier lange die Perser, in stetem Kampf mit dem Griechenthum der Küste; wie ein Gewitter stürmt Alexander hindurch; die Diadochen zerreiben sich; kurz ist die Herrschaft der Attaliden; da kommen die Römer ihrer größten Männer Fußtapfen stehen hier; das Christenthnm baut hier seine besten Fundamente, vier bis fünf der sieben Kirchen können wir fast sehen, dann folgt Byzanz, dann die Türken, und jetzt verdrängen auf friedlichem Wege die Griechen die Türken. Ungreifbar wie