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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
sterbende Fechter, Discuswerfer darstellen, Porträts sehen, denn die alten Künstler haben sich sehr wohl die Natur angesehen und sie sehr getreu nachgebildet. Wenn solche Gestalten uns vielleicht mehr wie der Typus einer Menschengattung erscheinen, so erklärt es sich daraus, daß aus dem gleichen Beruf, z. B. beim Gladiator, nothwendig eine Gleichförmigkeit der Mus- culatnr, der Körperform, der Bewegung resultiren mußte.
Eine Perle der alten statuarischen Por- trütkunst dürfte wohl die Reiterstatue des Marc Aurel in Bronze sein, einst auf dem Forum, dann vor dem Lateran, bis sie Michel Angelo 1538 auf ihren jetzigen Platz auf dem Capitol aufstellte. Als sie auf ihrem Postamente stand, rief der Künstler begeistert aus: „Man glaubt, der Kaiser lebe und bewege sich!"
Als Rom mit seiner Macht und Herrlichkeit, mit seiner Wissenschaft und Kunst vom Schauplatz der Weltgeschichte zurücktrat, um neuen lebenskräftigen Elementen Platz zu machen, da stieg auch das Kunst- ideal ins Grab, das ihm die verheerenden Horden des Krieges unter Schutt und Trümmern bereitet hatten. Dieses Grab war sein Wächter zugleich; aus demselben sollte es verjüngt zu einem neuen freudigen Leben aufwachen — freilich erst dann, als die Menschheit wieder Verständ- niß für dasselbe gewonnen hatte.
Das Christenthum hatte in der Zeit, da es um seine Existenz kämpfte, keine Zeit und in seiner ascetischen Strenge auch kein Bedürfniß, in der Sprache der Kunst zu predigen. Was in den ersten christlichen Jahrhunderten allenfalls Kunst genannt werden könnte, war, wie wir in den Katakomben uns überzeugen können, nur eine Hieroglyphenschrift für die Eingeweihten und gehörte der Arkandisciplin an, der es genügte, die Person Christi durch das Zeichen eines Fisches anzudeuten. In dieser Zeit des Kampfes, wo die Menschenseele nur an das Entsagen, an das Verleugnen alles Irdischen gewiesen war, trat die einzelne Persönlichkeit ganz in den Hintergrund. Es war darum an eine Entfaltung der Porträtdarstellung gar nicht zu denken. Erst als der Sieg über das Heidenthum erkämpft, der Friede errungen war, trat nach und nach auch das Individuum in seine Vorrechte ein.
Kaiser Constantin wird Wohl der Erste gewesen sein, dessen Bild man in Verehrung und Dankbarkeit zu fixiren versuchte.
Die älteste christliche Porträtgalerie war jene, welche Papst Leo I. in der alten Basilica S. Paolo vor den Thoren in Mosaik im Jahre 440 ausführen ließ. In Rundungen sah man hier die Bildnisse aller Päpste von Petrus bis auf seine Zeit. Die der vorleoninischen Zeit sind jedenfalls meist Phantasieköpfe gewesen. Die nachfolgenden Päpste setzten die Sammlung fort, aber im Brande der Kirche am 16. Juli 1823 ging sie mit so vielen Kostbarkeiten der Vergangenheit zu Grunde.
Zu einer künstlerischen Auffassung des Porträts kam es aber noch lange nicht. Die erwachte Kunst opferte ihre besten Blüthen am Altar. Zwei Gedankenreihen, die sich mit diesem Opfer in Einklang bringen ließen, zogen dann allmälig das Porträt in die Kunst hinein, zuerst auf dem Gebiete der Plastik (im zwölften Jahrhundert), dann auch auf jenem der Malerei (im vierzehnten Jahrhundert). Die Plastik, in erster Linie thätig, die kirchlichen Bauwerke mit Statuen von Heiligen zu zieren, diente auch der Pietät, die reiche Familien ihren verstorbenen Angehörigen erwiesen. Wie der gläubige Christ es vorzog, innerhalb der Einfriedung einer Kirche seine letzte Ruhestätte zu finden, für die er vielleicht im Leben ein großer Wohlthäter gewesen, so sollte der Ort seiner Ruhe gekennzeichnet bleiben zu seinem Ruhme, zum Andenken oder zur Aneiferung für kommende Geschlechter. Pietätvoll setzten die Familien über die Grabstelle ein Monument, welches die Büste oder Statue des hier Bestatteten zierte.
Ein anderer, wenn auch ideell verwandter Beweggrund führte das Porträt in die Malerei ein. Fromme Christen stifteten Altarbilder für Kirchen, und damit ihre Frömmigkeit — wohl als gutes Beispiel — verewigt werde, traten sie im gestifteten Bilde selbst als Zeugen und Wächter der Stiftung auf. Sie werden — als Donatoren — auf solchen Gemälden meist andächtig zu den Heiligen betend abgebildet, zu deren Ehre diese gestiftet wurden. Oft auch verbergen sie sich aus