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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
Louvre). Beide Künstler müssen das kleine kluge Männchen von Rotterdam während des Schreibens gut studirt haben.
Auch die Künstler, die Dürer's Schule angehören oder in dessen Fußtapfen traten, haben im Stich treffliche Porträts hinterlassen. Wir notiren nur kurz Karl V. und Ferdinand von Bartel Beham, die beiden Wiedertäuferhäuptlinge von Alde- grever, König Christian von Dänemark von I. Bink u. s. f.
Dürer war in Italien gewesen und hat die Kunst und die Bildnisse der venetiani- schen Schule gewiß ganz aufmerksam betrachtet; dennoch bleibt er in seinem künstlerischen Schaffen rein deutsch. Sein Zeitgenosse Hans Holbein dagegen sah nicht das Land der Hesperiden, und doch ist seine Kunst von der italienischen Renaissance durchgeistigt. Im Porträt nicht minder. Obgleich die Familie des Bürgermeisters Meyer auf dem Bilde eine echt bürgerliche und deutsche bleibt, ist der ganzen Erscheinung doch eine gewisse Noblesse nicht abzusprechen, wie wir sie in ähnlichen italienischen Compositionen zu finden gewohnt sind. Als Holbein am Hofe Heinrich's VIII. in England thätig war, verrathen zwar seine zahlreichen gezeichneten und gemalten Bildnisse den deutschen Fleiß in der Ausführung, aber auch die genialste Auffassung des Charakters. Wir können nicht die lange Reihe von Bildnissen seiner Hand einzeln anführen, sie bildeten eine eigene Galerie, wenn man sie zusammenbringen könnte; und selbst der Hauptwerke giebt es viele, wie die Bildnisse von Meyer, Amerbach, Morus (wozu dann auch dessen Familienbildniß zu rechnen ist), König Heinrich VIII. und dessen Gemahlinnen, die Porträts im Stahlhause, daraus I. Gyze nach Berlin kam, vom Goldschmied Morett (in Dresden, s. Abbildung S. 471), dessen stattliche Erscheinung uns das volle Selbstbewußtsein des durch die Kunst geadelten Handwerks offenbart, u. a. m.
Wir können uns nicht versagen, auf eine Medaillenbüste des Erasmus im kleinsten Maßstab hinznweisen, das der Künstler in Holz schnitt; ein Meisterstück der Jndividualisirung; es kann nichts Zarteres geben als diesen mit einer Linie so sicher profilirten Kopf. Die Stenographie kann einen großen Inhalt in
wenige Zeichen bannen. Man könnte den kleinen Holzschnitt mit Recht ein stenographisches Porträt des Erasmus nennen. Hx UNAUS Isonom — hier ist eine solche Löwenklaue.
Ein dritter deutscher Meister derselben Zeit, Lucas Cranach, war im Porträtfache nicht minder in Anspruch genommen. In seiner ganzen Kunst verleugnet er die alte deutsche Kraft und Ehrlichkeit nicht, also auch nicht im Bildnisse. Der Meister Lucas, wie er allgemein genannt wurde, ist wohl eben darum der Reformation näher wie jeder andere deutsche Künstler getreten; er kann der Lucas, der malende Evangelist derselben genannt werden. Er malte Luther und die Katharina Bora und niußte dieselben oft wiederholen, so oft, daß er schließlich der starken Nachfrage nicht genügen konnte, sondern seine Originale durch die Schüler copiren ließ. So erklärt sich die Menge der Luther- Bildnisse, welche die Nachwelt alle dem Meister zuschreiben wollte. Der Holzschnitt war gerade in jener Zeit der geistigen Gährung das leichteste und populärste Verbreitungsmittel für Ideen wie für Bildnisse. Meister Lucas hat auf diesem Wege ein köstliches, historisch interessantes Bildniß verbreitet, den Meister Luther als Junker mit martialischem Bart, aus der Zeit seines Aufenthaltes in der Wartburg (s. Abbildung S. 473). Aber trotz dem Bart sieht der Junker gar nicht so martialisch aus, und man kann sich ihn vorstellen, wie er auf seiner Reise nach dem Asyl in einer Herberge mit Heißhunger über ein daselbst zufällig befindliches Buch herfällt, so daß sein ängstlicher Begleiter ihn mahnt, es zu lassen und sich nicht zu verrathen; mit einem Buche befasse sich kein Ritter.
Auch für den sächsischen Hof war der Meister viel beschäftigt, und er hat eine ganze Sammlung von Bildnissen desselben in Gemälden und Holzschnitten hinterlassen. Während Dürer's Bildnisse zumeist Denkmale der Verehrung oder persönlicher Freundschaft sind, Holbein's Porträts eine kosmopolitische Richtung nehmen, könnten wir mit Recht Meister Cranach's Bildnißwerk einen Ahnensaal der Reformation nennen.
Von Amberger's, Burgkmair's Werken zu reden, erlaubt uns der Raum nicht.