Heft 
(1881) 298
Seite
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Jllustrirte Deutsche Monatshefte.

eine stattliche Reihe von Portefeuillen mit deutschen Porträtstichen derselben Periode durchzusehen. Das Beste an diesen Bild­nissen von Rathen, Duumviren, Pastoren re. mit ihren steifen Mühlsteinkrägen, Pos­sirlich ernsten Mienen und geblümten Kleidern sind oft die naiv-schwülstigen Unterschriften und Verse, wobei man zu­gleich die Titulaturwnth der Zeit studiren kann. Ans dieser wahrhaftigen Sündfluth von Bildnissen, die uns allenfalls lehren, wie ein Porträt nicht beschaffen sein soll, ragt selten ein Meister hervor, der die Linie des Mittelmäßigen überschreitet. Der beste unter allen eine Oase in der Wüste ist Jeremias Falck, dessen Porträtstiche echte Kunstwerke sind. Aber nicht in Deutschland, sondern in Holland fand er sein Vorbild, so erklärt sich seine exceptionelle Stellung. Erst mit R. Mengs beginnt, wie für die Kunst überhaupt, so auch für das Bildniß eine bessere Zeit.

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Jn den Niederlanden hat sich die Kunst frühzeitig mit dem Porträt beschäftigt. Bereits Jan van Eyck (1370 bis 1441) hat brillante Proben dieser Kunstgattung aus dem berühmten Genter Altarbild hinterlassen, wie die beiden Bildnisse der Donatoren sowie die Porträts der beiden Brüder van Eyck beweisen. Auch als selb­ständige Kunstwerke sind mehrere Bildnisse aus seiner Werkstätte hervorgegangen. Seine Schule unterließ es nicht, auf dem­selben Wege weiter zu schreiten. In Holland fand dann das Bildniß beson­ders in den politischen Verhältnissen des Landes einen fruchtbaren Boden. Lucas von Leyden (1494 bis 1533) wetteifert mit Dürer, seinem Zeitgenossen, auf diesem Gebiete mit vollem Ruhme, wie sein kostbarer, aber seltener Kupferstich mit dem Bildniß Maximilian's beweist. Weiter kommt H. Goltzius (1558 bis 1616), sein Nachahmer. Er entwirft Bildnisse naturalistisch, aber sehr frei. Man kann ihn den Michel Angelo des Kupferstichs nennen; er bewegt sich mit dem Grabstichel so frei auf der glatten Kupferplatte wie der rontinirteste Zeich­ner mit der Kreide auf dem Papier. Seine Bravour in energischer Linien­führung ist erstaunlich. In seinen histo­

rischen Stichen verfällt er der Manier, aber im Porträt, wo er gezwungen ist, der Natur zu folgen, ist er bewunderungs­würdig. Er sticht Bildnisse in Lebens­größe (Cuernheert, sein Lehrer, dann sein Eigenbildniß) und auch im kleinsten Me­daillonformat mit gleicher Virtuosität. Der Sohn des Frisius mit dem Hunde ist ein Meisterstück des Kupferstichs, das sich kühn neben das Höchste dieser Kunst­gattung stellen kann.

Seine Nachfolger, die Brüder Wierix, haben Treffliches gerade im Bildniß ge­leistet, erreichen aber doch ihr Vorbild keineswegs.

In dem Ländergebiete, das einst Bra­bant hieß, blühte im sechzehnten Jahr­hundert ein ausgebreiteter Handel, wo­durch ein mächtiger Wohlstand von Ein­zelnen und Städtegemeinden gefördert wurde. Dies wirkte wohlthätig ans Kunst und Kunstgewerbe (Stickerei, Tapeten­wirkerei, Goldschmiedeknnst u. s. w.). Der Reichthum aber sonnt sich gern in seiner Herrlichkeit, also kein Wunder, daß die Träger der Wohlhabenheit auch trachte­ten, ihre Persönlichkeit im Porträt zu verewigen.

Rubens und van Dyck gehören ihrer Ab­stammung nach diesen Kreisen an. Beide waren von Natur aus edle Männer, beide Künstler von Gottes Gnaden und darum wie geschaffen, in ihrer Kunst die glück­liche, von Gesundheit und irdischem Glück strotzende Umgebung in der vollen Kraft ihrer Genialität festzuhalten.

Rubens (1577 bis 1640) hatte in Italien seinen Geistesverwandten, Tizian, kennen gelernt. Die vornehme Auffassung der Welt wie der concreten Persönlichkeit, das lebhafte Colorit muthete ihn verwandt­schaftlich an; er wurde ein flämischer Tizian. Was ihm originell innewohnt, das ist der Zug ins Gigantische, Volle. Das Runde, Fettleibige, Ausladende ist flämisches Schönheitsideal; bei Rubens zeigt es sich nicht allein im Porträt, be­sonders dem weiblichen, sondern es schmug­gelt sich auch in heilige und profane Historienbilder hinein. Seine Madonnen wie seine Venusbilder sind in diesem flämi­schen (oder türkischen) Geschmack concipirt. Auch seine beiden Frauen, Jsabella Braut und Helene Furment (letztere Schwester­tochter der ersteren) wären nicht geeignet,