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_Wessely:
die mageren Jahre Aegyptens vorzustellen. Das nackte Porträt der Fnrment in ganzer Figur, mit einem Pelz sich deckend (Belvedere in Wien), stellt keine mediceische Venus dar; was ist aber der ausdrucksvolle Kopf allein werth! Und doch war seinem Pinsel auch das Zarte, Naive nicht fremd, wie das herrliche Bildniß des Mädchens aus der Familie Lunders in Antwerpen, gewöhnlich obwohl unrichtig Olmpsrni cke ptällk (es ist kein Stroh-, sondern ein Filzhnt) genannt (s. Abbildung S. 475). Man kann sich nichts Reizenderes denken als dieses feine Gesicht- chen an der Schwelle zwischen Kind und Jungfrau, vom Hut,beschattet, aber von der lichtvollen Umgebung so viel Sonne absorbirend, daß sich ein künstlicher Kampf zwischen Licht und Schatten im Gesicht entspinnt; es ist ein Meisterstück des Clair-obscur, ein Spiegelbild naivster Natürlichkeit, reinster Freude und Unschuld. Betrachten wir dagegen den Meister selbst, mit Frau und Kind im Garten promenirend, so finden wir hier nicht allein die noble Erscheinung der Dargestellten, sondern den vollen Charakter eines behaglichen, frohvergnügten flämischen Lebens meistervoll geschildert. Ohne die Eigenart der Persönlichkeit zu verwischen, ist dabei der Charakter der Zeit und des Landes prägnant ausgedrückt. Und so haben alle seine Bildnisse, männliche wie weibliche, dieses eulturgeschicht- liche Merkmal an sich.
Sein bester Schüler, A. van Dyck, war auch in Italien gewesen, wo ihm seine Ideale der Kunst verkörpert entgegentraten. Sein späterer Lebensweg entzog ihn aber dem Lande üppiger Körperformen, und sein guter Genius führte die Künstlerhand innerhalb der Grenze clas- sischer Schönheit. In Antwerpen noch faßte er den Plan, einen Plutarch seiner Zeit herauszugeben, welcher die Bildnisse der berühmten Künstler, Gelehrten und Helden jener Zeit vereinen sollte. Die treffliche Kupferstecherschule, die Rubens herangebildet hatte, war sehr geeignet, die genial hingeworfenen Porträts auf die Kupferplatte kunstvoll zu übertragen. So entstand die sogenannte Ikonographie, zu welcher van Dyck mehrere Bildnisse eigenhändig radirte.
Seine glänzendste Thätigkeit entfaltete
Das Porträt.
sich am Hose Karl's I. von England, der den Künstler zum Ritter ernannte. Die ganze vornehme Gesellschaft Londons suchte den Künstler auf, Jeder wollte von ihm gemalt sein, der Preis war Nebensache. Ungeheure Summen flössen ihm zu, aber er wußte sie ebenso anzubringen, denn er lebte wie ein König und hielt' offenes Haus. Den König malte er oft; das Meisterwerk darunter ist wohl jenes, wo der König in ganzer Figur in der Landschaft steht, während sein Stallmeister das Reitpferd bereit hält. (S. Abbildung im Juniheft, S. 341.) Sein Atelier hatte ein eigenes Gesetz, dem sich auch der Vornehmste fügen mußte; für jede Sitzung war die Stunde genau bestimmt, van Dyck malte nur den Kopf und entwarf die Stellung, seine Schüler setzten die Arbeit fort, der Meister legte dann noch die letzte Hand an. Für schöne Männer- und Frauen- hünde hielt er eigene Modelle. Man zählt etwa zweihundertundachtzig von ihm ausgeführte Bildnisse, kein Wunder, daß man ihn vorzugsweise den Porträtmaler nannte.
Auch Holland, das wir nach achtzigjährigem Kampfe um seine Unabhängigkeit (seit 1568) als freie Republik finden, kann aus seine Porträtkünstler stolz sein. Eben die politischen Verhältnisse erklären uns diese Erscheinung. Je schwerer und opferreicher die Kämpfe um die Freiheit waren, desto inehr schätzte man sie und verherrlichte dabei auch Jene, die zu diesem endlichen Siege beigetragen haben. Dieser hohe Werth, den man auf die Persönlichkeit legte, fand seinen beredtesten Ausdruck im Porträt. Das ganze Vollgefühl nationalen Stolzes zeigt sich in den vielen, wahrhaft historischen Bildnissen, die von den besten Künstlern der Zeit ausgesührt wurden. Da begegnen wir den Bildnissen der Statthalter; der kühnen Seefahrer de Vries, Schonten, Nuyt, die der holländischen Flagge in allen Meeren Achtung verschafften; der Seehelden Tromp, Ruyter, Evertsen, van Galen, welche die junge Freiheit siegreich selbst gegen das mächtige England vertheidigten; der Gelehrten, Dichter und Künstler, die das ursprünglich an den Handel hingewiesene Volk nun auch zu einem berühmten Culturvolke stempelten. In allen diesen Bildnissen, die überdies von den besten Stechern des