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schaft vernommen," sagte ich, „fielen sie alle Drei nieder, beugten Haupt und Kniee und dankten Gott für den großen Sieg. Sie dankten Gott, blieben ihren Völkern aber den Dank schuldig."
„Ha!" fuhr Fritz Schwarzenberg auf, mich inquisitorisch ins Auge fassend. „So denkt Junges Deutschland?"
„Ein Ansspruch Wienbarg's," war meine Entgegnung.
„Aber solidarisch verpflichtend für euch Alle?" forschte der Landsknecht.
„Solidarische Verpflichtung hat Gutzkow spöttisch abgewiesen," sagte ich ziemlich kleinlaut. — Es war in der Zeit gewesen, als ich, Verfasser einer „Quarantäne im Jrrenhause", in einem Artikel der von mir geleiteten „Zeitung für die elegante Welt" die von den Regierungen verfolgten und verfehmten fünf literarischen Gefährten zusammenstellte, mich ihnen anreihend, obschon ich nicht mitgefährdet war, aber Partei für sie nehmend und auch wohl mir zumuthend, deren Einzelausfülle behüten, ihr Hervorspringen aus Reihe und Glied verhindern zu können; mir war es durchaus um den Kern der Sache zu thun. Heinrich Heine, ein Sohn Apoll's in geweihten Momenten, war im Angriff oft gotteslästerlich genug; Ludolph Wienbarg, echt treu und deutsch, blieb lässig in der Action; Heinrich Laube schien mir allzu keck und sahrlos im Plänkeln; Theodor Mundt, mein innigster Berliner Gefährte und Bruder, war bei seiner humoristischen Grazie nicht charakterfest genug in der Haltung. Alle bedurften eines Correctors, und war das innerhalb einer Bundesgenossenschaft möglich, so geschah das zum Heil eines gedeihlichen Fortschritts in deutschen Zuständen. Karl Gutzkow, entschieden der gewaltigste Kämpe, sprang von Anfang an allzu ungestüm ans der Linie heraus, um auf der Arena, ein waghalsiger Cam- peador, gegen wildgehetzte Stiere bluttriefende Einzelgefechte zu leisten. Börne war vom Bundesbeschluß gar nicht einbegriffen in die Kategorie der mit Haut und Haar Verfehmten, denen, was sie je zu schreiben gedachten, verpönt wurde; der Pest- cordon ward nur um ihrer Fünf gezogen.
Börne hatte, nachdem wir den äußeren Feind niedergeworfen, um uns selber und den inneren Feinden wieder anheimzu- I
nge Deutschland.
fallen, in Frankfurt früher seine Stelle als Polizeiactuar niederlegen müssen; man hatte ihm zweimal seine Zeitungen, die „Wage" und die „Zeitschwingen", unterdrückt, im Ganzen aber doch vor der sittlichen Energie seiner Feder zu viel Re- spect gehabt, um über ihn ein Anathema zu sprechen, einen Bannstrahl auf sein ganzes Thun und Wesen zu werfen. Als das Tridentiner Concil das „Decamerone" des Boccaccio auf den Index der verbotenen Schriften setzte, hat es gewußt, was es that. Nicht also der Erlauchte Deutsche Bundestag, der auch für noch nicht Geborenes einen bethlehemitischeu Kindermord verhängte. Nach dem uns geheiligten Spruche: „Sie wissen nicht, was sie thun!" könnte man ihm ja wohl ruhig die Pönitenz erlassen. Sang doch auch schon Uhland, als er ins deutsche Lazareth guckte, vom kranken Manne, der dort im Fieber, im kalten Fieber lag: Mein Lieber, nur nichts vom Bundestag! Der Bundestag hat mit seinem sinnlosen Machtspruch aus fünf waglustigen und waghalsigen Autoren fünf betrübte Märtyrer der deutschen Nation gemacht.*
* Es dürste bei dieser Gelegenheit von Interesse sein, das wenig bekannte Actenstück jenes Bundcs- tagsbeschlusscs vom 10. December 1835 im Wortlaute kennen zu lernen. Es lautet: „Nachdem sich in Deutschland in neuerer Zeit und zuletzt unter der Benennung ,Das Junge Deutschland' oder ,Dic junge Literatur' eine literarische Schule gebildet hat, deren Bemühungen unverhohlen dahin gehen, in belletristischen, für alle Classen von Lesern zugänglichen Schriften die christliche Religion auf die frechste Weise anzugreifen, die bestehenden socialen Verhältnisse herabzuwürdigcn und alle Zucht und Sittlichkeit zu zerstören: so hat die deutsche Bundesversammlung — in Erwägung, daß es dringend nothwendig sei, diesen verderblichen, die Grundpfeiler aller gesetzlichen Ordnung untergrabenden Bestrebungen durch Zusammenwirken aller Bundesregierungen sofort Einhalt zu thun, und unbeschadet weiterer, vom Bunde oder den einzelnen Regierungen zur Erreichung des Zweckes nach Umständen zu ergreifenden Maßregeln — sich zu nachstehenden Bestimmungen vereinigt: 1) Sämmtliche deutsche Regierungen übernehmen die Verpflichtung, gegen die Verfasser, Verleger, Drucker und Verbreiter der Schriften aus der unter der Bezeichnung , Das Junge Deutschland' oder ,Die junge Literatur' bekannten literarischen Schule, zu welcher namentlich Heinrich Heine, Karl Gutzkow, Heinrich Laube, Ludolph Wienbarg und Theodor Mundt gehören, die Straf- und Polizeigesetze ihres Landes, sowie die gegen den Mißbrauch der Presse bestehenden Vorschriften nach ihrer vollen Strenge in Anwendung zu bringen, auch die Verbreitung dieser Schriften, sei es durch den Buchhandel, durch Leihbibliotheken