Heft 
(1881) 298
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_ Kühne: Das In

jedem Heiligenbilde inbrünstig niederknien sah. Warum konnten also selbst wider unser Wissen nicht auch jesuitische Fäden zwischenlausen im Plan einer geheimen Verbrüderung der europäischen Jugend gegen das vielfach verrottete und ver­sorgte Zeitalter?

Also, das wollt ihr?" fragte mich der geniale Landsknecht.Das junge Europa der Völker gegen das alte Europa der Könige?!" Das Staunen und Stutzen war nun auf meiner Seite; so weit hatten meine Gedanken noch gar nicht gereicht, als ich ihm jene Mitthei­lungen machte. Auch gegen die Burschen­schafter, die ans der Wartburg ein einiges kaiserliches Deutschland mit Schwarzroth- gold als Fahne aufgepflanzt, waren die Regierungen undankbar gewesen, und selbst der Tugendbund, der insgeheim die Be­freiung vom Joch des Corsen betrieb, war verdächtigt und verketzert worden. Wir stehen ja heute wie allezeit mit unseren besten Errungenschaften auf den Gräbern edler Märtyrer.

Und Ludolph Wienbarg ist der Vater des Jungen Deutschlands?" forschte der Landsknecht weiter.

Meine Antwort war, daß Wienbarg seineAesthetischen Feldzüge", jene auf der Universität in Kiel gehaltenen Vor­träge, dem Jungen Deutschland gewid­met und damit zuerst Namen und Be­griff hingeworfen habe. Dies Buch vom Jahre 1834 lieferte das Programm zu einem Jugendbnnde, zu einer Gemeinschaft frischer Geister, die in ihrem Eifer gegen die Barbarei knechtischer Ueberlieserungen eine Reform der gesellschaftlichen Zustände erstrebte, eine Befreiung vom Glaubens­zwang, eine Befähigung der Völker, ihre Wirtschaft selber zu führen, auch eine Emancipation des Weibes.

Ha!" rief Fürst Friedrich fast trium- phirend,dann gehört auch der Saint- Simonismus zu euch mit der Emancipation des Fleisches!"

Das war nun Wohl in der ruch­losen Anklage Wolfgang Menzel's wider Gutzkow'sWally" das böseste Stichwort, so daß der bethörten Menge in der ortho­doxen Hypochondrie der Regierungen die Besorgniß erwuchs, es handle sich um ein frivoles Complot, das unter dem Deckmantel einer natürlichen Berechtigung

ge Deutschland.

der Sinne und des Fleisches Orgien be­zwecke, wie sie in Frankreich zur Zeit der Regentschaft nicht bloß Mode, sondern Sitte gewesen, oder wie sie dort bei dem Dogma von der Unauflösbarkeit der Ehe im Wechsel mit Grisettenliebschaften ihren nationalen Usus behaupten. Ich leugne auch heute noch die Statthaftigkeit solcher Anklage, zumal in Bezug auf Wienbarg, der viel zu deutsch war, um dergleichen Anschauungen das Wort zu leihen; er hatte dazu viel zu viel natürliche Gesund­heit und eine gewisse sittliche Vornehm­heit, wie sie den alten, echten Burschen­schaftern eigen war.

Auch Laube war Burschenschafter!" rief mir Fritz Landsknecht entgegen.Und sein Junges Europa ist das nicht ein lustiges Bacchanal der freien Sinn­lichkeit? Fast mormonenartig? Wollt ihr denn so was?"

Durchaus nicht!" entgegnete ich. Selbst Widerspruch oder Nonsens lösen sich, bedenkt man, daß Leib und Seele nicht in ihren Gegensätzen, sondern in ihrer Harmonie, in ihrem Ausgleich Gel­tung und Segen haben."

Wenn Heinrich Laube in Schriftsteller­versammlungen als Marschall an der Tafel den Vorsitz führte, begann er seinen Vortrag gern mit den Worten:Meine Herren, ich war Burschenschafter." Er hätte ebensowohl sagen können:Meine Herrschaften, ich war Kanzelredner." Er hat in der That als Theologe versuchs­weise in Halle die Kanzel bestiegen und gab dem Publikum im Tempel Apollo's sensationslustige Ehebruchskomödien, aber nicht um des Bruchs, nicht um der Auf­lösung der Ehebande willen, als vielmehr die Thatsachen mit in den Kauf ge­nommen der heiter frischen Lebendig­keit wegen, womit der Franzose plastisch, rund, nett und graziös selbst seine Cor- ruption in ein leicht faßliches Bild hin­stellt, den Stoff als Erlebniß componirt und reizend gruppirt. Die Kunstfertigkeit der Franken, ihre vollendete Mache ist es, was Heinrich Laube zur Vorführung fran­zösischer Stücke trieb. Und Ludolph Wien­barg wollte keinen Saint-Simonismus, kannte Paris gar nicht, war nie in Frank­reich gewesen. Was in seinen Schriften, in den criminell verpöntenAesthetischen Feldzügen" vorliegt, weist als Ziel auf