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_ Kühne: Das In
jedem Heiligenbilde inbrünstig niederknien sah. Warum konnten also selbst wider unser Wissen nicht auch jesuitische Fäden zwischenlausen im Plan einer geheimen Verbrüderung der europäischen Jugend gegen das vielfach verrottete und versorgte Zeitalter?
„Also, das wollt ihr?" fragte mich der geniale Landsknecht. „Das junge Europa der Völker gegen das alte Europa der Könige?!" — Das Staunen und Stutzen war nun auf meiner Seite; so weit hatten meine Gedanken noch gar nicht gereicht, als ich ihm jene Mittheilungen machte. Auch gegen die Burschenschafter, die ans der Wartburg ein einiges kaiserliches Deutschland mit Schwarzroth- gold als Fahne aufgepflanzt, waren die Regierungen undankbar gewesen, und selbst der Tugendbund, der insgeheim die Befreiung vom Joch des Corsen betrieb, war verdächtigt und verketzert worden. Wir stehen ja heute wie allezeit mit unseren besten Errungenschaften auf den Gräbern edler Märtyrer.
„Und Ludolph Wienbarg ist der Vater des Jungen Deutschlands?" forschte der Landsknecht weiter.
Meine Antwort war, daß Wienbarg seine „Aesthetischen Feldzüge", jene auf der Universität in Kiel gehaltenen Vorträge, dem Jungen Deutschland gewidmet und damit zuerst Namen und Begriff hingeworfen habe. Dies Buch vom Jahre 1834 lieferte das Programm zu einem Jugendbnnde, zu einer Gemeinschaft frischer Geister, die in ihrem Eifer gegen die Barbarei knechtischer Ueberlieserungen eine Reform der gesellschaftlichen Zustände erstrebte, eine Befreiung vom Glaubenszwang, eine Befähigung der Völker, ihre Wirtschaft selber zu führen, auch eine Emancipation des Weibes.
„Ha!" rief Fürst Friedrich fast trium- phirend, „dann gehört auch der Saint- Simonismus zu euch mit der Emancipation des Fleisches!"
Das war nun Wohl in der ruchlosen Anklage Wolfgang Menzel's wider Gutzkow's „Wally" das böseste Stichwort, so daß der bethörten Menge in der orthodoxen Hypochondrie der Regierungen die Besorgniß erwuchs, es handle sich um ein frivoles Complot, das unter dem Deckmantel einer natürlichen Berechtigung
ge Deutschland.
der Sinne und des Fleisches Orgien bezwecke, wie sie in Frankreich zur Zeit der Regentschaft nicht bloß Mode, sondern Sitte gewesen, oder wie sie dort bei dem Dogma von der Unauflösbarkeit der Ehe im Wechsel mit Grisettenliebschaften ihren nationalen Usus behaupten. Ich leugne auch heute noch die Statthaftigkeit solcher Anklage, zumal in Bezug auf Wienbarg, der viel zu deutsch war, um dergleichen Anschauungen das Wort zu leihen; er hatte dazu viel zu viel natürliche Gesundheit und eine gewisse sittliche Vornehmheit, wie sie den alten, echten Burschenschaftern eigen war.
„Auch Laube war Burschenschafter!" rief mir Fritz Landsknecht entgegen. „Und sein Junges Europa — ist das nicht ein lustiges Bacchanal der freien Sinnlichkeit? Fast mormonenartig? Wollt ihr denn so was?"
„Durchaus nicht!" entgegnete ich. „Selbst Widerspruch oder Nonsens lösen sich, bedenkt man, daß Leib und Seele nicht in ihren Gegensätzen, sondern in ihrer Harmonie, in ihrem Ausgleich Geltung und Segen haben."
Wenn Heinrich Laube in Schriftstellerversammlungen als Marschall an der Tafel den Vorsitz führte, begann er seinen Vortrag gern mit den Worten: „Meine Herren, ich war Burschenschafter." Er hätte ebensowohl sagen können: „Meine Herrschaften, ich war Kanzelredner." Er hat in der That als Theologe versuchsweise in Halle die Kanzel bestiegen und gab dem Publikum im Tempel Apollo's sensationslustige Ehebruchskomödien, aber nicht um des Bruchs, nicht um der Auflösung der Ehebande willen, als vielmehr — die Thatsachen mit in den Kauf genommen — der heiter frischen Lebendigkeit wegen, womit der Franzose plastisch, rund, nett und graziös selbst seine Cor- ruption in ein leicht faßliches Bild hinstellt, den Stoff als Erlebniß componirt und reizend gruppirt. Die Kunstfertigkeit der Franken, ihre vollendete Mache ist es, was Heinrich Laube zur Vorführung französischer Stücke trieb. Und Ludolph Wienbarg wollte keinen Saint-Simonismus, kannte Paris gar nicht, war nie in Frankreich gewesen. Was in seinen Schriften, in den criminell verpönten „Aesthetischen Feldzügen" vorliegt, weist als Ziel auf