492
Jllustrirte Deutsche Monatshefte.
einen ganz anderen Versöhnnngsact zwischen Leib und Seele, Materie und Geist, Natur und Gott. Die hellenische Welt pries er mit begeistertem Schwünge, in welcher der schroffe Gegensatz geschwunden war zwischen Elementen und Gewalten, die, obschon Polartig verschieden, der verbindenden Linien doch zum Existiren bedürfen. Die Emancipation des Fleisches vollzog sich bei den Hellenen nicht mit Verleugnung oder Entartung der sittlichen Seelentriebe. Erst bei den Römern entkleidete sich der fesselfreie Naturdrang aller Schönheitsidee. Wienbarg wollte und forderte, und wir Alle mit ihm, die politisch freie, die sittlich schöne Lebensherrlichkeit der hellenischen Welt den Verdunkelungen und Verdüsterungen einer mittelalterlich christlichen Askese auch den Romantikern gegenüber, die dahin zurück- zülenken versuchten, während wir, sollte es sich um Rückkehr handeln, auf unsere Fahne schrieben und schreiben: Auf Lessing zurückkehren, heißt fortschreiten! Die Vermählung von Geist und Welt, die Hingebung zwischen Leib und Seele wurden in Mundt's „Madonna, Gespräche mit einer Heiligen" wie eine Versöhnung, fast wie im Gebet gefeiert, nicht in romantischer Schwelgerei, nicht französisch frivol, sondern einfach, fest und thatsäch- lich, wie ja auch auf philosophischem und religiösem Gebiet der beste Beweis vom Dasein eines Gottes sich im Vorhandensein einer Welt ergiebt, in der er sich be- thätigt. An die Stelle einer Verfluchung der Natur trete eine Vermählung von Geist und Welt! Und dieser deutsche Hellenismus hatte sich ja doch bereits in Goethe vollzogen, dem neuen, großen Leuchtthurm an der Wetterscheide zweier Jahrhunderte. Und Menzel hatte ja auch gegen Goethe gewüthet, dergestalt, daß wir damals: „Pustkuchen rsäivivus!" riefen und dem teutonischen Eiferer seinen blinden Eifer verwiesen. Mit Haut und Haaren Goethisch waren wir damals keineswegs und wären im Widerspruch eher auf Seite Börne's getreten. Wir waren lieber Uhlandisch als Goethisch. Mit der Pariser Julirevolution war ein gelinder Sturmwind über Europa gekommen. Infolge der Julibewegungen des Jahres 1830 hatten die Fürsten der kleineren und mittleren Staaten Deutschlands theils
ihren eigenen Versprechungen, theils dem Drängen des Volkes und der öffentlichen Meinung Raum gegeben und Verfassungen bewilligt. Recht und Pflicht zur Selbstregierung war im deutschen Süden längst anerkannt und Brauch; nur Preußen und Oesterreich blieben in dem Wahn, dem allgemeinen Durchbruch einen Damm entgegensetzen zu können. Metternich sah um sich herum Völker genug mit jahrhundertealten Verfaffungsrechten, aber er fürchtete, diese nationalen Einzelrechte, anerkannt und in Action gesetzt, würden zusammengreifen und eine Gestalt anneh- men, vor der ihm „graute". Deutschland, das ihm bekanntlich bloß ein geographischer Begriff war, als historischen Begriff, als Ziel der Sehnsucht ins Auge zu fassen oder im Herzen darüber zu brüten wie die Burschenschafter, die Männer von der Wartburg: so weit waren noch nicht einmal die jugendlichen Zeitgenossen der Julibewegung in den dreißiger Jahren. Aber unter einer Regierung Rochow lebte noch ein Herr v. Kamptz, dessen „Codex der Gensdarmerie" die Burschenschafter verbrannt hatten. Leider waren die Jünglinge der Wartburgsfeier anno 1817 noch so thöricht gewesen, unter den achtundzwanzig demFenertode gewidmetenBüchern auch den 6oäs Napoleon mit den Gesetzen von der gemischten Ehe den Flammen zu übergeben. Was wir heute haben, erschien damals als verrucht und frivol, und damit die Frechheit mit dem Verlangen nach Selbstverwaltung nicht obscön um sich griffe, däuchte den politischen Jesuiten, wie ehedem zur Zeit der Demagogenriecherei, eine gelinde literarische Razzia gut. Eine willkommene Veranlassung wie damals die Ermordung Kotzebue's gab es nicht, um den Leuten einen Glauben an allgemeine Gewitterschwüle beizubringen; so mußte denn, kaut? äs mlsux — denn es galt, dem Volke das Verfassungsgelüst, den politischen Kitzel zu nehmen — Menzel Feuer! Feuer! rufen, als stände die gesammte moralische Welt in Flammen.
Der badische Minister Winter gestand dem Verfasser der „Wally" später, ohne Menzel's Aufforderung zum gerichtlichen Einschreiten hätte man es zu solch auffallender Procedur eines Preßprocesses dieser Art gar nicht kommen lassen. Allein