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Bethlehem geboren und nicht in dir, so bleibst du ewig doch verloren!" Wir können, däucht mir, mit besseren und menschlich tieferen Zeugnissen decken, was dort in der „Wally" ziemlich frostig hingeworfen ist. Die Haupttendenz des Buches aber ist folgende: Cäsar, der von der Heldin geliebte Mann, liebt eine Jüdin und will sich, um sie sein zu nennen, mit einer Civilehe begnügen, da die Liebe es sei, die copulire und das Bündniß sittlich mache, nicht erst der Priester. Seitdem die Civilehe staatsrechtlich gültig geworden, so dünkt mich, dürfe sich heutzutage, im Fall des Widerspruchs eines Priesters von Rom oder Wittenberg, Jedermann damit begnügen, ausgenommen, daß ein inneres Bedürfniß des Gemüthes ebenfalls noch einen Act der Weihe am Altar fordere. Damals aber in Zeiten des Jungen Deutschlands hätten Cäsar und Wally auch schon in den preußischen Rheinländer: unter Geltung des 6ocks l^powon und im weimarischen Ländchen nach De- eret des genialen Karl August die Mischehe als rechtskräftig vorfinden und haben können. Zieht sich durch all' die deutschen Wirren nicht als rother Faden ein eigen- thümlicher Zug der Ironie? Die Burschenschafter wollten und erstrebten Kaiser und Reich. Das haben wir nun heutzutage; das neue Reich ist wenigstens im Rohbau fertig. Nur kommen wir an unseren Zielen immer so nüchtern an, nachdem wir den Weg dahin mit Vorurtheilen verbaut, mit Thränen und Blut gedüngt.
Zehn Jahre nach seiner Haft in Mannheim — dort war „Wally, die Zweiflerin" erschienen, incriminirt und verurtheilt — gab Gutzkow in einer Sammlung seiner Schriften (1846) auch jenes Buch wieder zum Druck, weil er von seinem Entwickelungsgange dem Publikum keine Phase voreuthalten wollte. Ein pietistisches Ministerium in Berlin wiederholte das Verbot, aber weder der Bund noch sonst deutsche Regierungen schlossen sich dem schon veralteten Brauche an, Literatur und öffentliche Meinung durch Polizei verbessern zu wollen. In der Lesewelt nahm man das von Neuem auftretende Buch ruhig, fast gleichgültig auf. Von Belang war nur des Verfassers Bemühen im Vorwort, die Entstehung des Werkes zu erläutern, es mit anderen Erscheinun-
che Monatshefte.
gen des Zeitalters in verwandtschaftlichen Zusammenhang zu bringen, mit der „Lelia" von George Sand und Charlotte Stieglitz. Das tiefsinnige literarische Denkmal, das Mundt der letztgenannten Freundin setzte, war keine Vertheidigung des Selbstmordes, nur die Verherrlichung eines edlen Opfers, das in der Verirrung und Verwirrung des umdunkelten Wahns zur vermeintlichen Rettung des Gatten sich diesem selbst darbrachte. Die grause Tragödie am Schiffbauerdamm der großen aufgeklärten Stadt an der trüben Spree war einmal geschehen und verlangte ihre Erklärung. Wie wir die Verunglückte zur letzten Ruhestatt brachten (1834), umarmten sich weinend an der Gruft Henrik Steffens und Theodor Mundt, und des Letzteren Buch war das Erzeugniß verhaltener, unterdrückter Thränen. Diese Frau hatte als Mädchen für einen Poeten geschwärmt, als Braut bei dessen schwungvollen: Anlauf von seiner hohen Mission geträumt und war, ihm als Weib znge- sellt, nicht bloß am Dichter und seinem Beruf, auch an: Menschen Heinrich irre geworden, der es bejammerte, für des Leibes Nothdurft auch ein gelehrtes bürgerliches Amt führen zu müssen, so daß der Apollo in ihm, an eine Felsenwand gemeiner Bedürfnisse geschmiedet, schmählich erlahme, erst wieder die Flügel schwingen könne, wenn er frei sein würde vom Zwang der Zuchthausarbeit für eine gesellschaftliche Familienexistenz. Diese verlangte Freiheit gab sie dem Poeten zurück, und sie befreite zugleich sich selbst von ihm, denn seine geistige Erlahmung bei dem Wahn für die Höhe seines Dichterberufs drohte in Stumpfheit gegen sie selbst überzugehen. So hatte sich hier die Liebe zu einem Auserwählten in einen Haß gegen sich selber verwandelt, doppelt beklagenswertst für die Umstehenden und Ueberlebenden, als der gewaltsame Aufschwung zu einem Opsertode sich als unnütz ergab, sich als eine vergebliche, unselige Verschwendung heiliger Menschenkraft herausstellte. Ob sie eine andere geheime Neigung gequält, der sie keinen Ausdruck geben wollte, war ihr selber vielleicht unbewußt geblieben; für die Welt stand ihre grause That als ein ^ heroischer, aber wahnbethörter Rettungsact für das Wohl eines Anderen da. In