Heft 
(1881) 298
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Kühne: Das Junge Deutschland.

höchstens verschärfte sich in der großen Weltstadt sein bisher versteckter, jetzt offener, unerbittlicher Wahrheitsdrang. Man hat ihn einen schlechten Christen ge­scholten. Aber er war auch ein ebenso schlechter Jude. Schon in seinem elter­lichen Hanse hatte eine alte Dienerin, Ella mit Namen, ein erblich überkommenes Familieninventar, von dem jungen Baruch im Franksnrter Ghetto gesagt, wenn Der Rabbi werde, würde er die ganze Ge­meinde zum Christenthum verführen! Und der Jüngling hatte erwidert, dann würde er der einzige Jude in der getauften Ge­meinde bleiben. Börne war eben ein ab­soluter Urmensch; die gesunde Vernunft verflieg sich in ihm nur dann und wann bis znm Fanatismus der Wahrheitsliebe. Sein Eifer, die Schäden, an denen Deutsch­land litt, aufzudecken, wurde nur heftiger. In Frankfurt hatte er gesagt, es schmerze ihn, Goethe nicht lieben zu können; in Paris zog er seinen speciellen großen Frankfurter Landsmann für alle Schwä­chen des deutschen Gemeinwesens öffent­lich vor Gericht, belud ihn mit der Ver­schuldung für unsere gesummten nationalen Gebrechen.

Heinrich Laube's Prosa ist sich auch wohl gleich geblieben im Wandel der Jahrzehnte, schwunglos, aber sachlich zu­treffend, kurz und gut. ImJungen Europa" war sein Stil meist wie vom Zaun gebrochen, er schoß nie aus lang­läufigen Flinten, nur aus kurzen Revol­vern, und seine Blicke auf Personen, Länder und Völker glichen Decreten, die ein lustiger Kriegsmann ans seinem Kosaken­klepper vom Sattelknopf herunter erläßt. Später lieferte er in seinem großenDeut­schen Kriege" prächtige Schlachtenbilder; was die Finsterlinge und die Glaubens­helden tief innerlich in den Werkstätten der Dinge trieben, quälte und beseligte, das überließ er denDoctrinären". Mit der ganzen Schlagkraft und sinnlichen Frische seiner gesunden Energie schrieb er seineFranzösischen Lustschlösser" und hat der deutschen Bühne eine große Reihe kerniger Jntriguen- und Charakter­stücke geliefert.

Theodor Mnndt gab in seinerKunst der deutschen Prosa" sein bestes Buch; bisher hatte man nur in der gebundenen Rede von Kunstfertigkeit und Gesetzen der

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Rhythmik gesprochen. Leider fiel er ab von sich selber. Müde der Verfolgungen, denen er nicht Charakterkraft genug ent­gegensetzte, verbittert von der Lauigkeit des Publikums, ergab er sich schließlich dem Stil seiner Frau, Louise Mühlbach, die mit compilatorischen Gammeleien von Memoirenfetzen Leihbibliothekenfutter in Masse lieferte, das die Menge köderte und bei der Halbbildungswelt in Deutschland rasenden Beifall fand.

Und Gutzkow? Er hat auch seinen Stil geändert nach dem Maß der Bedrängun­gen, die ihm von außen wurden; Nation und Publikum bilden und verbilden die Literatur. Im Gefängniß, als Mann­heimer Märtyrer, schrieb er ein Buch: Zur Philosophie der Geschichte", um sich nachdenklich auf einem Kampfplatz zurecht­zufinden, auf welchem er bisher nur keck und mit sophistischen Waffen aufgetreten war. Auch seineBeiträge zur Geschichte der neuesten Literatur" und seinGoethe im Wendepunkt zweier Jahrhunderte" waren, um sich zu schützen, Äntidota wider Menzel's Barbarei der Angriffe, wider Jncriminirnng seiner unbehüteten Einfälle, Verketzerung seiner besten Ueber- zeugungen. War doch Alles verfehmt, auch was er je denken, empfinden und schreiben würde, wenn er nicht den Arg­wohn, der ans ihn lauerte, gemeinschädlich zu sein, widerlegte. Dieser Argwohn hat ihn bald gelähmt, bald verbittert, hat den Keim gelegt zu dem Verfolgungs­wahn, dem er von Zeit zu Zeit verfiel. Er versteckte, verkroch sich damals ver­suchsweise hinter fremder Maske, fremdem Stil und schrieb seine zwei BändeZeit­genossen" unter Bulwer's Firma; er mußte arbeiten und sich der deutschen Lesewelt zugänglich erhalten. Zehn Jahre nach seiner Hast, als er seine Schriften in zwölf Bänden sammelte, seine Verfol­gung und seinen Ruhm klar überschauend, hat er in Frankfurt, im leichtlebigen, be­haglichen deutschen Süden, wohl seine beste Zeit verlebt, auch innerlich; Zeugen dessen sind seine trefflichenOeffentlichen Charaktere", in denen er auch am glänzend­sten seinen Stil, seinen ganz eigenen Stil, entwickelte. Er war eine groß-, jedenfalls starkangelegte Natur. In der ersten französischen Revolution hieß es von Dem oder Jenem: Er ist gefährlich, er ist nn-

.ü, Bd. Vl. 34.