Heft 
(1881) 298
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Jllustrirtc Deuts

überwindlich, denn er glaubt an sich! Gutzkow dachte groß von sich; leider zu­gleich klein von Anderen. Im Argwohn, überall verfolgt zu sein, verfolgte er selber unerbittlich. Nur Wienbarg konnte er neben sich nicht antasten, denn der war leidenschaftslos, die Ruhe selber, die den Auf- und Abtobenden bezwang. Bor Börne blieb er geistig gebannt stehen; dessen leuchtende, einfache Charakterkraft überwand er nicht, er huldigte ihm, weil er ihn nicht bezwingen konnte. An Heine wollte er nicht einmal den lyrischen Dichter anerkennen; er hielt ihn für einen bloßen Nach- und Ausläufer der Romantiker. Aus Uhland, den reinsten deutschen Poeten, sah er achselzuckend herab; und doch bei all' dem Hochgefühl von sich selber war ihm nicht wohl, fühlte er sich nicht glück­lich. Das Geheimniß des Glückes heißt eben: Bescheidenheit. Gutzkow war nicht schwach gegen sich selbst, er verlangte viel von sich, aber noch weit mehr vom Ge­schick, vom Zeitalter, vom Vaterland. Er bereicherte die deutsche Bühne mit einer großen Reihe glänzender Charakterbilder. Aus dem Gebiet des Romans trat Gutzkow zweimal mit weltweiten, riesenhaften Ent­würfen hervor, die er denn auch mit der ganzen Gewalt seines scharfen Genius stannenswürdig durchführte.Die Ritter vom Geiste" undDer Zauberer von Rom" sind und bleiben wunderbare Do­kumente dichterischer Arbeit, in welchen ein hochgemutheter Kopf, mehr Satiriker als Poet, zwei große Gemälde von unse­rem Zeitalter entwarf. Bei Gestaltung seiner Zeitfiguren hat Gutzkow seine Stärke überwiegend in der Genesis des Bösen; die bedeutendsten in denRittern" sind jener Hackert und Schlurk, imZau­berer" die Heldin mit dem bohrenden Argwohn und der tiefsinnigen Lust, die ganze Welt zu belauern, zu ertappen, zu überflügeln, mit jenem schwermüthigen, unersättlichen Triebe, den der Autor ihr von sich selber gab. Zn einem Liebling der deutschen Lesewelt wurde Gutzkow auch mit diesen gewaltigen Schöpfun­gen nicht; Kleinmuth und Größenwahn wechselten jederzeit in seiner Stimmung, schüttelten ihn hin und her bis zur irren Verzweiflung. Seine Berufung nach Weimar schien mit den besten Aspecten begleitet zu sein, auch äußerlich; er bezog

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als Pensionär der Schillerstiftung, uw deren Begründung er sich Verdienste er­worben, und als Generalsecretär der­selben zweifachen Gehalt, und der alte Schauplatz der großen Heroen deutscher Cnltnr konnte ihm, so war die Hoffnung, ein Genüge schaffen. Oder machte man ihm diesen Contrast peinlich fühlbar? Ein nicht bösgemeinter Spruch an der Festtafel hob zu seiner Bewillkommnung des Dichters edles Streben zum Schönen und Großen hervor; er aber glaubte auf erreichte Ziele, auf vollendete Thaten, die er geleistet, Hinweisen zu können. Ein Bahn­brecher des neuen Zeitalters, wie er war, glaubte er vor ganz Europa ein Riesen- orchestrion gespielt zu haben und sollte nun in vergnüglichen Abendstunden ge­mächlich die Flöte blasen. Dieser grelle Widerspruch zwischen dem, was ihm Deutschland schuldete, wie er meinte, und dem, was man ihm leistete, hat ihn irre gemacht, irre an seinem Schicksal im Gegensatz zu dem, was er für seine Mission hielt. Er wurde in Weimar ge- müthskrank und entfloh; er ließ bethört Alles im Stich, schweifte in die Weite und legte Hand an sich selbst. Erst in einer Pflegeanstalt ward er wieder heil, blieb aber fieberhaft krank. Zu neuer über­reizter Thätigkeit genöthigt, griff er, um seine Arbeitskraft zu steigern, zu lebens­gefährlichen Medikamenten- in den ge­schichtlichen Stoffen, die er sich gewalt­sam auszwang, zu Gegenständen, die ihm nicht sympathisch waren, die ihn aber, wie er glaubte, der deutschen Lesewelt zugänglicher machten. Will man ihm einen Denkstein setzen, so sei's ein Granit mit der ehernen Inschrift:Er starb ver­zweifelnd an sich und an den deutschen Zuständen!" wobei man aber hinzudenken mag, daß er als Mitglied eines Jugend- bundes zumeist den Beweis von der Un­fähigkeit der Deutschen zu einer festen Parteibildnng lieferte.

Ueber Wienbarg war Fürst Schwarzen­berg bei unserem Hamburger Verkehr bald genug seiner falschen, vorgefaßten Meinung inne geworden, er hatte in dem angeblichen Stifter eines Jungen Deutschlands keinen Mazzini gefunden. Ludolph Wienbarg war ihm zu blaß, zu blond, zu abstrakt und thatnnlnstig; ein Talent zu geheimer Con- spiration konnte gar nicht in Frage treten,