Kühne: Das Junge Deutschland.
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bei ihm so wenig wie sonst bei den vermeintlichen Bundesmitgliedern. Was von diesen angeregt worden, braucht nicht vergessen zu werden; was an ihnen verkümmerte, damit hat sich Deutschland selbst geschädigt und bestraft; der öffentliche Geist bei uns örzieht sich noch immer sehr schlecht seine Träger, Mitarbeiter und Genossen.
Mit dein Landsknecht lebte ich 1836 noch einige Zeit auf Helgoland. Ich lernte in vollem Umfang seine ritterliche Liebenswürdigkeit, seine abenteuerliche Romantik kennen. Seine martialische Gestalt, sein poetischer Schwung, sein sprudelnder Humor standen damals in schönster Blüthe. Jede Blüthe hat freilich ihre Zeitdauer; wenn sie welk ist, bekommt man oft erst den Einblick in die Noth- wendigkeit ihres Verfalls. Wie wenig deutsch des Fürsten Friedrich Natur, ward mir erst nach und nach zu meinem Schreck ersichtlich. Bei seiner Sympathie für Czechen und Ungarn war ihm nicht nur ein Deutschland, auch ein Oesterreich nüt germanischer Flagge ein bloßer Begriff. Daß es sehr reale weltgeschichtliche Begriffe giebt, dafür hatte er keinen Sinn. Wie er mich auf Helgoland Tag und Nacht mit auf die Seehundsjagd nahm, machte ich ihm die Bemerkung, ein Anderer von uns würde ihm weit besser als ein jagdgerechter Mann erscheinen und znm Gefährten taugen: Heinrich Laube. „Das Junge Deutschland mit dem slavi- schen Gesicht?" war seine Entgegnung. Der Mann mit dem slavischen Antlitz hat sich ihm aber später in Wien genugsam und deutlich als ein Mann mit deutschem Herzen kundgegeben.
Fürst Friedrich Schwarzenberg ging alsbald über London, wo sich eine Fremdenlegion bildete, nach Spanien, um im provisorisch singirten Hoslager des Don Carlos Dienste zu nehmen. Ich hatte ihm ans Herz gelegt, er könne das nicht offen mit seinen! glorreichen Namen als deutscher Edelmann thun. In seiner Gut- müthigkeit verargte er mir diese Rüge nicht; ihn reizten entgegengesetzte Ele
mente und Naturen; er schrieb mir ans Spanien für meine Zeitschrift eine ganze Reihe von Briefen mit Schilderungen kriegerischer Scenen voller Abenteuerlichkeit, aber zugleich voll Schwung und Reiz. Diese Zeugnisse für die Geschichte der Zeitepoche erschienen, mir gewidmet, wiederholt als Buch in der Reihe der Schriften des Landsknechts. Was ich nur anführe zum Beleg, daß auch entgegengesetzte Naturen, sobald sie nur offen, ehrlich und voll Ueberzengungstreue sind, erträglich und verträglich sein können.
Aus- und Niedergang des Landsknechts war von trüber Art. Jni Sturmjahr 1848 drückte er zu Wien seiner erlauchten und erleuchteten Mutter just die Augen zu, als die ihm und seinem Hause zugedachten Flintenkngeln der Aufständischen durch die Fensterscheiben klirrten. Das Jahr 1866 brachte ihm die für ihn entsetzliche Thatsache, daß Altösterreich mit seinen aus allerlei Völkern zusammengesetzten Heeresmaffen dem norddeutschen Preußen nicht mehr Widerstand leisten konnte; bei Königsgrätz waren es die italienischen Regimenter zuerst und vor allen, welche die Waffen fortwarfen und die Flucht ergriffen, weil sie nicht mehr für Oesterreich kämpfen wollten. Der Landsknecht schrieb mir darüber ganz um- dnnkelte Briefe. Für mich und die Uhland'schen Parteigenossen ging der Gedanke eines Großdeutschlands, einer Ge- sammtgermania zu Grunde. „Ich bete nur noch zum heiligen'Napoleon!" So lautete brieflich an mich das letzte Wort Fürst Friedrich's. Wir verstummten seitdem vor und für einander. Auch schloß er zu Anfang des Jahres 1870 seine Augen.
Diese meine Erinnerungen aus der Vergangenheit deutscher Entwickelung schrieb ich hier nieder, um, was Wahrheit und Wirklichkeit daran war und was Fabel davon zu werden den Anschein hat, klarzulegen.
Es ist traurig, Todte zu bestatten; ein öffentlicher Todtengräber muß aber ehrlich sein.